Das alternative Kulturzentrum Reitschule in Bern erregt wieder einmal die Gemüter der Hauptstadt. Anlass sind Randale am vergangenen Wochenende auf der nahen Schützenmatte. Dort errichteten Unbekannte Strassenbarrikaden offenbar als Vergeltung für eine Polizeirazzia.
Dies zumindest legt ein anonymer Eintrag auf der Internetseite Indymedia.org nahe. Dort ist die Rede von einer Razzia vergangene Woche in und um die Reitschule.
Die Berner Stadtregierung hat am Montag die Randale verurteilt und von der Reitschul-Betreiberin, der Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (IKUR) verlangt, sich von den Vorfällen klar zu distanzieren. Zudem müsse die IKUR den Dialog mit den Behörden wieder aufnehmen, den sie einseitig ausgesetzt habe.
Schandfleck oder Freiraum?
Die Reitschule, wo sich am Wochenende Hunderte bis Tausende meist jugendliche Besucherinnen und Besucher treffen, ist seit 25 Jahren ein Zankapfel in der Berner Stadtpolitik. Den rechten Parteien gilt sie als Schandfleck und rechtsfreier Raum, den linken als Kulturoase mit dringend nötigen Freiräumen.
Die Reitschul-Betreiber selber sehen die Institution als autonomes Kultur- und Begegnungszentrum, das sich als Teil der politischen, kulturellen und sozialen Alternativ- und Widerstandskultur in und um Bern versteht.
Die Bernerinnen und Berner lieben die Reitschule für ihr kulturelles Angebot mit Theater, Musik, Bar- und Restaurantbetreib. Viele lieben die Reitschule aber auch, weil sie unangepasst ist und manchmal herrlich unanständig das behäbige, offizielle Bern ins «Jäss» bringt.
Zahlreich sind die Versuche, die Institution politisch aus dem Weg zu schaffen. An der Urne sind sie bisher noch alle gescheitert.
Gewalt und Drogen
Doch die Reitschule ist nicht nur eine unkonventionelle Begegnungs-, Kultur- und Politzone. Seit Jahren hat die Institution auch immer wieder handfeste Probleme mit Gewalt und Drogen. Beides gibt es vor ihren Toren – und manchmal auch drinnen.
Immer wieder ziehen sich nach Kundgebungen gewaltbereite Randalierer in die Reitschule zurück. Die Polizei hat dort bei laufendem Kulturbetrieb kaum Möglichkeiten, ihrer habhaft zu werden.
Möglichkeiten, diesem Treiben ein Ende zu setzen, sehen die Reitschulverantwortlichen auf ihrer Seite allerdings kaum. Sie stellten sich in der Vergangenheit auf den Standpunkt, dass die Institution keine Vermittlerin zwischen der Polizei und anonymen Tätern spiele und lehnen die aus ihrer Sicht repressiven Polizeieinsätze ab.
Kritik üben die Reitschul-Verantwortlichen auch an der ihrer Ansicht nach repressiven Drogenpolitik der Stadt. Mit ihren Einsätzen auf der Schützenmatte dränge die Polizei die Deal-Beteiligten immer wieder Richtung Reitschule.
Die letzten grösseren Randale in der Nähe der Reitschule gab es Ende Juli. Die Polizei setzte Tränengas und Gummischrot ein.