Der neue Ständeratspräsident Raphaël Comte will sein Präsidialjahr im Zeichen von Kultur und Öffnung ausüben. Der erst 36-jährige Neuenburger Freisinnige wurde am Montag mit allen 44 gültigen Stimmen gewählt.
Comte wies in seiner Antrittsrede auf die kulturelle Vielfalt der Schweiz hin. Sie habe als Nation eine eigene Kultur entwickelt, ohne dabei die Kulturen ihrer Regionen zu verleugnen. «In den kulturellen Genen der Schweiz ist die Öffnung immer präsent», sagte er. Die Schweiz sei vom Auswanderer- zum Einwandererland geworden.
Lösungsorientierte Politik erwartet
«Die Schweiz ist keine Insel mitten in der Welt», sagte der neue Ständeratspräsident. Sie sei dazu berufen, im Konzert der Nationen mitzuwirken und ihre Botschaft von Frieden und Humanität einzubringen. «Unsere humanitäre Tradition ist die beste Garantin unserer guten Absichten».
An seine Ratskolleginnen und -kollegen richtete Comte mahnende Worte angesichts der anstehenden Themen wie Aussenbeziehungen, Rentenreform, Energiestrategie oder Unternehmenssteuerreform: «Das Volk erwartet von uns, dass wir lösungs- und nicht problemorientiert sind und dass wir uns nicht in kleinlichem Gezänk verlieren».
Comte gedachte des vor zwei Jahren unerwartet verstorbenen Glarners Pankraz Freitag (FDP), damals Stimmenzähler in der kleinen Kammer. «Wäre er nicht viel zu früh aus dem Leben gerissen worden, wäre er es, der hier und heute als neuer Präsident vor Ihnen stünde.»
Der neue Ständeratspräsident ist Jurist und seit 2010 Mitglied der kleinen Kammer. Das Präsidium des Ständerats verbleibt somit im Jurabogen: Raphaël Comte folgt auf den Sozialdemokraten Claude Hêche aus dem Kanton Jura. Dieser nannte es eine Besonderheit, dass das Präsidium von einem Westschweizer zu einem anderen übergehe.
Nachfolger von Didier Burkhalter
Comte engagierte sich ab 2000 im Gemeindeparlament in seinem Wohnort Corcelles-Cormondrèche; ab 2008 war er Gemeinderat. 2001 wurde er in den Grossen Rat gewählt, dem er bis 2009 angehörte. Damit war er der jüngste Parlamentarier in der Geschichte des Kantons Neuenburg. 2004 übernahm er den Vorsitz des Neuenburger Freisinns.
Seine Karriere auf Bundesebene verdankt er der Wahl von Didier Burkhalter in den Bundesrat. Comte übernahm dessen Sitz im Ständerat im Januar 2010. Er ist der achte Neuenburger Ständeratspräsident, und alle waren Freisinnige. Letzter Neuenburger Ständeratspräsident war Jean-Louis Barrelet im Jahr 1954.
Comte ist einer der jüngsten Ständeratspräsidenten. Trotz seines jungen Alters hat er sich einen Platz unter der Bundeshauskuppel erarbeitet. Er nahm in verschiedensten Kommissionen und Delegationen Einsitz, die so unterschiedliche Themen betreffen wie Umwelt und Energie sowie juristische und staatspolitische Fragen.
Bischofberger und Keller-Sutter Vizepräsidenten
Der Neuenburger zeigt sich in gesellschaftspolitischen Fragen und bei der Diskussion über den Ausstieg aus der Atomenergie progressiver als die meisten seiner Deutschschweizer Fraktionskollegen. Innerhalb des gesamten politischen Spektrums positioniert er sich in der Mitte.
Neuer erster Vizepräsident des Ständerates ist der 57-jährige Innerrhoder Ivo Bischofberger (CVP). Er wurde mit 45 Stimmen gewählt und wird die kleine Kammer voraussichtlich im nächsten Jahr präsidieren.
Zweite Vizepräsidentin des Ständerates ist Karin Keller-Sutter (FDP/SG). Die 51-Jährige frühere St. Galler Regierungsrätin erhielt 42 Stimmen. Stimmenzähler ist Jean-René Fournier (CVP/VS), Ersatzstimmenzählerin Géraldine Savary (SP/VD). Ergänzungsmitglied des Büros ist Alex Kuprecht (SVP/SZ).
Die Stimmenzähler kommen bei Wahlen zum Einsatz – zum Beispiel bei den Bundesratswahlen am 9. Dezember – oder wenn die in der vergangene Legislatur auch im Ständerat eingeführte elektronische Abstimmungsanlage ausfallen sollte.
Komposition zur Präsidentenwahl
Vor der Wahl ihres neuen Ratspräsidenten hatte die kleine Kammer die Nationalhymne gesungen, zusammen mit der Landesregierung in corpore. Begleitet wurden die Sängerinnen und Sänger vom Streicherensemble «La Stravaganza» vom Neuenburger Konservatorium.
Die jungen Berufsmusiker und Schüler des Konservatoriums führten ein eigens für den Anlass komponiertes Potpourri aus musikalischen Schweizer Themen auf, dies neben einem Satz aus Händels «Feuerwerksmusik».