Mitten in der Euro-Schuldenkrise hat die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) Frankreich am Donnerstagabend versehentlich die Top-Bonität aberkannt – und damit das zweitgrösste Euro-Land geschockt.
Die Agentur klärte den Fehler erst Stunden nach dem Vorfall auf: Eine entsprechende E-Mail sei an einige Abonnenten der S&P-Internetseite versendet worden. Standard & Poor’s sprach von einem „technischen Fehler“. Man wolle die genaue Fehlerquelle untersuchen.
Der französische Finanzminister François Baroin forderte in einer am späten Abend in Paris verbreiteten Erklärung die Aufsichtsbehörde für die europäischen Finanzmärkte zu einer Untersuchung auf. Bereits tätig geworden ist die französische Finanzmarktaufsicht: Sie nahm Ermittlungen auf.
Forderungen nach strengeren Regeln
Der Vorfall sorgte innerhalb der EU für harsche Kritik an den Ratingagenturen. Am Freitag stimmte der deutsche Bundestag einem Antrag zu, wonach sich die Regierung in der EU für eine zivilrechtliche Haftung der Bonitätsprüfer und einen stärkeren Wettbewerb in der Branche einsetzen soll.
Unabhängig vom Beschluss des deutschen Parlaments will auch die EU-Kommission strengere Regeln für Ratingagenturen einführen. Der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier wird kommenden Dienstag einen entsprechenden Vorschlag vorlegen, wie ein Sprecher der Brüsseler Behörde am Freitag erklärte.
Ins Visier nehmen will die Kommission vor allem die starke Abhängigkeit der Finanzmarktteilnehmer von Ratings sowie Interessenkonflikte, die sich durch die Vergütung für Ratingagenturen ergeben.
Irrtum zur ungünstigsten Zeit
Die Panne bei S&P hätte kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt passieren können: Bereits vorher waren die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen zu den als extrem sicher geltenden deutschen Staatsanleihen auf Rekordhöhe gestiegen – mittlerweile liegen sie bei knapp 1,6 Prozent. In diesem hochnervösen Umfeld verschickte die Agentur dann am Abend ihre E-Mail.
Am Freitag beruhigte sich die Lage am französischem Anleihemarkt nur leicht. Tags zuvor hatte die Rendite für zehnjährige französische Staatstitel einen Sprung um rund 0,3 Prozentpunkte hingelegt, der laut Händlern zumindest teilweise auf die Panne bei S&P zurückzuführen war.