Asylsuchende aus Ländern, die für die Schweiz kein Visum brauchen, sollen ab sofort einen Asylentscheid innert 48 Stunden erhalten. Mit dieser und weiteren Massnahmen reagiert das BFM auf den starken Gesuchsanstieg aus dem Westbalkan. Die Reaktionen sind positiv.
Im Fokus stehen laut dem Bundesamt für Migration (BFM) Asylgesuche aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien, für die seit 2009 respektive 2010 keine Visumspflicht mehr gilt.
Nach einer ersten Spitze im Januar stieg die Zahl Gesuche aus diesen Ländern im Juli erneut an: 83 Prozent mehr innert Monatsfrist waren es aus Mazedonien, 68 Prozent mehr aus Serbien, wie BFM-Direktor Mario Gattiker am Dienstag vor den Medien in Basel sagte.
Gesuchstellende aus diesen als „safe countries“ eingestuften Ländern – aus Serbien etwa sind es viele Roma – haben in der Schweiz aber kaum Asylchancen: 4593 Personen aus diesen Staaten stellten von Anfang Januar bis Ende Juli 2012 ein Asylgesuch, nur 20 erhielten Asyl – das bedeutet eine Anerkennungsquote von rund 0,5 Prozent.
Beschleunigt entscheiden
Mit der Zunahme werden jedoch die Asylzentren belastet. Das BFM reagiert daher jetzt mit Massnahmen. Insbesondere behandelt es per sofort Gesuche von Personen aus visumsbefreiten europäischen Staaten mit höchster Priorität: Sie sollen einen erstinstanzlichen Asylentscheid innert 48 Stunden ab der Erstbefragung erhalten.
Dies gilt für alle Fälle, bei denen nach der Anhörung keine Abklärungen mehr nötig sind. Gefällt werden die beschleunigten Entscheide im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) in Basel: Dort hat das BFM Teams stationiert, denen neben den Spezialisten des Bundes auch Hilfswerksvertreter und Dolmetscher angehören.
Reihe von Massnahmen
Diesem Ziel dienen auch die zusätzlich beschlossenen Massnahmen bei Aslygesuchen aus visumsbefreiten Ländern. Es handelt sich beispielsweise um Vorgespräche mit den Gesuchsstellern und die Streichung der 100 Franken Reisegeld, nachdem die Rückkehrhilfe schon im April weggefallen war. Zudem soll bei der Rückkehr noch intensiver mit den Herkunftsländern kooperiert werden.
Weiter will der Bund bei den Einreiseverboten die Zügel in die Hand nehmen. Solche Verbote werden verfügt bei Missachtung der Ausreisefrist durch abgewiesene Gesuchsteller, Störung der öffentlichen Sicherheit, unbegründeten Mehrfachgesuchen oder krassem Missbrauch.
Schon bisher konnten die Kantone die Verbote beantragen. Nun will dies der Bund übernehmen, um eine einheitliche kosequente Praxis zu sichern, wie Gattiker sagte. Von der Schweiz erlassene Einreiseverbote gelten für den ganzen Schengen-Raum. Betroffene verlieren laut dem BFM-Direktor damit ihre Reisefreiheit.
„Wieso erst jetzt?“
Die Einführung von kurzen Entscheidfristen für Asylbewerber aus sicheren Staaten hat vorwiegend positive Reaktionen ausgelöst. Die SVP verlangt auch für andere Asylgesuche mit wenig Chancen raschere Verfahrensfristen. Das BFM wisse sehr wohl, dass sich die Verfahren ohne Anpassung bei den Beschwerdemöglichkeiten weiterhin über Monate und Jahre hinziehen werden, schreibt die SVP.
Die FDP begrüsse die Massnahme, sagte Generalsekretär Stefan Brupbacher auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. „Allerdings fragen wir uns: Wieso erst jetzt?“ Seit mehr als zwei Jahren werde das von der FDP gefordert, denn es gebe mehr Asylgesuche aus dem Balkan als aus Nigeria, Somalia und Algerien zusammen.
Die CVP ist laut Alexandra Perina, Generalsekretärin ad interim, „sehr zufrieden“. Die Partei habe schnellere Verfahren gefordert und sei dabei von zehn Tagen ausgegangen. „Nun geht es noch schneller als wir wollten.“ Für Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien solle man nun zusätzlich die Visabefreiung rückgängig machen.
Die SP ist laut ihrem Sprecher Andreas Käsermann klar der Ansicht, dass die Asylverfahren in der Schweiz verkürzt werden müssen. Es sei der SP jedoch wichtig, dass die Verkürzung nicht zu Lasten der Abklärungen um die Lage der Asylsuchenden gehe. „Der Rechtsanspruch auf einen sicheren Aufenthalt für Verfolgte muss gewahrt werden.“
Augenmass gefordert
Die Flüchtlingshilfe fordert, die geplanten Massnahmen mit Augenmass anzuwenden. Trotz der neuen Massnahmen müsse der Zugang zu einem fairen Asylverfahren gewährt bleiben. Einreiseverbote in die Schweiz sollen das Recht der Betroffenen nicht berühren oder beschränken, einen Antrag um internationalen Schutz in einem anderen Schengen-Staat zu stellen.
Amnesty International wies darauf hin, dass im Balkan Minderheiten verfolgt würden. Die Roma seien oft Ziel von Agressionen. Es sei deshalb wichtig, die Lage vor Ort gründlich abzuklären.
Walter Leimgruber, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen, sagte am Rande einer Medienkonferenz in Bern, in der heutigen Situation sei es wichtig, höchst wahrscheinlich aussichtslose Verfahren schnell zu erledigen. Die Massnahme des BFM sei „richtig“.