«RECYCLING LILY»

Hansjörg Stähli ist einsam. Sein Vater ist schon lange tot und seine Mutter  – trinkt. Sie fordert seine ganze Aufmerksamkeit. Fast. Denn hauptberuflich ist Hansjörg Stähli Müllinspektor eines malerisch hübschen Städtchens. Das füllt sein Leben aus. Fast. Denn Hansjörg Stähli ist verliebt. Lily Frei ist Kellnerin. Sie lebt mit ihrer Tochter, die ihre ganze Aufmerksamkeit […]

Hansjörg Stähli ist einsam. Sein Vater ist schon lange tot und seine Mutter  – trinkt. Sie fordert seine ganze Aufmerksamkeit. Fast. Denn hauptberuflich ist Hansjörg Stähli Müllinspektor eines malerisch hübschen Städtchens. Das füllt sein Leben aus. Fast. Denn Hansjörg Stähli ist verliebt.

Lily Frei ist Kellnerin. Sie lebt mit ihrer Tochter, die ihre ganze Aufmerksamkeit fordert. Fast. Denn Lily Frei ist kaufsüchtig. Wenn sie kauft, kauft sie viel. Sie hat also auch viel wegzuwerfen. Fast. Sie bereut es sofort, wenn sie etwas wegwerfen will, und hortet es stattdessen. Lily ist ein Messie. Ihre Wohnung ist eine Abfallhalde – sehr zum Kummer ihrer Tochter.

Lily und Hansjörg sind nicht kompatibel. Das sagt erst Lily. Dann sagt es auch Hansjörg. Dass sie sich trotzdem finden, versteht sich. Wir sind ja nicht in einem Trauerspiel: Wir sind in einer schrillen Schweizer Komödie: Bruno Cathomas spielt einen von Unternehmungslust sprühenden Herrn Schüüch. Johanna Bantzer ist die verstockte Frau Lily.

Feinste Schweizer Komödiantenkunst

Was die beiden sich schauspielerisch abfordern ist grandios: Cathomas überstürzt mit seinem Hansjörg fast in jeder Einstellung das Tempo, sucht Worte, findet Pointen, rauscht durch Wortsinn und – Unsinn, klein, fein und hintersinnig. Johanna Bantzer wehrt ihn als Lily ab, lässt ihn auflaufen, duckt sich und windet sich: Da haben sich zwei gefunden, und spielen das mit zwei Figuren, bei denen nichts gut gehen kann.  

Dabei ist der Müllinspektor einer grossen Sache auf der Spur: Da die Preisverleihung für die sauberste Stadt der Schweiz bevorsteht, will er unbedingt herausfinden, wer da alles vollmüllt – nichtsahnend wer die schöne Vollmüllerin ist …

Ein fantastisch skurriler Look des Films – für eine dünne Geschichte

Darran Bragg hinter der Kamera und Pierre Monnard auf dem Regiestuhl haben dem Film einen skurill-verträumten Look verpasst. Alles ist da etwas surreal, etwas süsslich und voll und ganz hübsch schweizerisch perfekt zugeschnitten: Gartenzwerge und Rasentrimmer und pünktliche Abfallsäcke bringen den kleinschweizerischen Kosmos auf den Punkt: Das ist voller szenischem Aberwitz, Bilder-Witz, Farben-Bosheit aber auch – unentschieden …

Die  brilliante Kameraarbeit und die umwerfend komische Spielform der Schauspieler bringen es umso schmerzlicher an den Tag: Die Geschichte ist schlicht zu wenig intelligent, eine Spur zu wenig hintersinnig, die Figuren zu plakativ, die Wendungen zu voraussagbar für die Qualität ihrer Machart: Was Cathomas, Jecklin, Freiburghaus und Pantzer da auf die Leinwand spielen, wie Monnard sie ins Bild setzt, das ist schlicht zu gut für so einen hanebüchenen Plot.

Das Team hat stilsicher eine filmische Skurrilität entwickelt, die optisch entzückt, spielerisch verzaubert, aber eben auch satirisch mehr erwarten lässt. Doch gerade die Essenz enttäuscht: Lange hoffen wir vergeblich, dass das Potential für eine wirklich absurde Geschichte genutzt wird. Bei aller Überhöhung steckt eine feine Satire im Kern. Doch Satire hat gefälligst intelligenter zu sein, als die Blödheit der Welt, die sie anprangert. Das schafft der Film nicht ganz: Zum Schluss führt er uns mit seiner Geschichte in die erwartete Verlockungen des Kitsches – das amüsiert, wie etwa ein Werbefilm eben Werbetexter erheitert .. In die angelegte Tiefe lotet das nicht.

 

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