Nach über 50 Jahren ist der bewaffnete Konflikt zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen offiziell beigelegt. Präsident Juan Manuel Santos und FARC-Kommandeur Rodrigo Londoño alias «Timochenko» unterzeichneten einen Friedensvertrag.
Santos und Londoño unterschrieben am Montag (Ortszeit) das historische Abkommen mit einem aus einer Gewehrkugel gefertigten Kugelschreiber. «Unsere Vergangenheit wurde mit Kugeln geschrieben, die Bildung wird unsere Zukunft schreiben», war auf dem Schreibgerät zu lesen.
Die Unterschrift und der Händedruck der ehemaligen Gegner lösten lauten Jubel unter den Gästen aus. Anschliessend ergriff «Timochenko» das Wort, der «eine neue Ära der Versöhnung und des Friedens» begrüsste. Erstmals bat er zudem im Namen der linksradikalen Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) um «Verzeihung» für das mehr als 50 Jahre dauernde Blutvergiessen.
An der Zeremonie in Cartagena nahmen zahlreiche hochrangige Persönlichkeiten teil, unter anderen US-Aussenminister John Kerry und Kubas Präsident Raul Castro sowie UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. Auch 250 Opfer des Konfliktes – Verletzte, Entführte und Angehörige von Todesopfern – waren eingeladen. Alle 2500 Gäste waren in Weiss gekleidet.
Damit geht der älteste Konflikt in Lateinamerika zu Ende. In den Kämpfen zwischen staatlichen Sicherheitskräften, linken Rebellen und rechten Paramilitärs kamen seit 1964 über 220’000 Menschen ums Leben. 45’000 Menschen gelten als vermisst. Sieben Millionen Menschen wurden in die Flucht getrieben.
«Wir akzeptieren die Gewalt nicht länger als Mittel, um Ideen zu verteidigen», sagte Präsident Santos. «Kein Krieg mehr.» Künftige Generationen sollten ihre Energie auf die Entwicklung des Landes richten. «Wir machen jetzt Politik ohne Waffen», sagte FARC-Chef «Timochenko». «Wir werden unseren Teil erfüllen und hoffen, dass die Regierung ihren Teil erfüllt.»
Rebellen wollen Abgeordnete werden
Der unter kubanischer und norwegischer Vermittlung zustande gekommene Friedensvertrag sieht eine Landreform, neue Ansätze im Kampf gegen den Drogenhandel und eine Entschädigung der Opfer vor. Innerhalb von sechs Monaten sollen die Rebellen nun unter Aufsicht der Vereinten Nationen ihre Waffen niederlegen.
Die linken Rebellen, die zum Höhepunkt des Konfliktes Ende der 1990er Jahre etwa 20’000 und zuletzt noch 7000 Kämpfer zählten, kontrollierten jahrelang weite Teile des Landes. Finanziert wurde ihr Kampf auch durch Drogenhandel und Lösegeld-Erpressungen. Künftig wollen die FARC politisch für ihre Ziele eintreten. In den kommenden zwei Wahlperioden bekommen sie zehn Abgeordnetenmandate garantiert.
Verhandlungen in Kuba
Nach fast vierjährigen Verhandlungen in Kubas Hauptstadt Havanna hatten sich beide Seiten am 24. August auf den Friedensvertrag geeinigt. Seit dem 29. August ist ein Waffenstillstand in Kraft.
In Kuba vereinbarten beide Seiten zudem ein eigenes Justizwesen zur Aufarbeitung der Verbrechen des Konflikts. Für politische Straftaten wird eine weitreichende Amnestie gewährt. Wer seine Beteiligung an schweren Verbrechen einräumt, muss mit einer Freiheitsstrafe von höchstens acht Jahren rechnen.
UNO-Generalsekretär Ban sagte, die Opfer des Konflikts seien die Vorkämpfer für den Friedensvertrag gewesen. «Heute ziehen die Kolumbianer einen Schlussstrich unter Jahrzehnte in Flammen und senden ein helles Licht der Hoffnung, das die Welt erhellt», sagte er.
Die Europäische Union strich die FARC von der Terrorliste. «Heute sendet Kolumbien eine Botschaft der Hoffnung an den Rest der Welt», sagte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini. Zudem kündigte sie die Gründung eines Treuhandfonds mit einem Umfang von 600 Millionen Euro an, an dem sich viele EU-Staaten beteiligen wollten.
Volksabstimmung am Sonntag
Das Abkommen muss in Kolumbien am kommenden Sonntag noch in einer Volksabstimmung gebilligt werden. Umfragen zufolge liegen die Befürworter des Vertrags vorn. Die Gegner kritisieren vor allem, dass die Guerillakämpfer mit relativ milden Strafen davonkommen.
Medienberichten zufolge demonstrierten 2000 Menschen in Cartagena gegen das Friedensabkommen. Der frühere kolumbianische Staatschef Álvaro Uribe kritisierte in seiner Rede den Vertrag der Regierung mit den FARC-Rebellen. Uribe macht die FARC für die Ermordung seines Vaters verantwortlich. Er wirbt öffentlich für eine Ablehnung des Friedensvertrags bei der kommenden Volksabstimmung.
Schweiz bei Friedensverhandlungen
Auch die Schweiz war an der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen FARC-Rebellen und kolumbianischer Regierung dabei: EDA-Staatssekretär Yves Rossier wollte in Cartagena an der Zeremonie teilnehmen.
Die Schweiz war an den Friedensverhandlungen selbst beteiligt. Sie stellte in den letzten Jahren verschiedene Expertinnen und Experten als Unterstützung für die Konfliktparteien zur Verfügung.
Zudem ist die Schweiz mit drei Kooperationsprogrammen in den Bereichen humanitäre Hilfe, menschliche Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung in Kolumbien aktiv.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat den Delegationen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Rebellen nun zum Abschluss der Friedensverhandlungen gratuliert, wie es in einer Mitteilung hiess. Das EDA hoffe, dass die Umsetzung des Abkommens zu einem nachhaltigen Frieden führe.
Friedensvertrag in der Schweiz aufbewahrt
Nach der Unterzeichnung wollen Regierung und FARC ein Originalexemplar des Friedensvertrages in der Schweiz aufbewahren. Damit wollen sie der Bedeutung des Dokuments als Spezialabkommen im Rahmen der Genfer Konventionen Rechnung tragen.
Der Bundesrat habe sich bereit erklärt, das Abkommen aufzubewahren, teilte das EDA mit. Allerdings übernehme die Schweiz damit keinerlei Verantwortung für die Umsetzung des Abkommens.