Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin haben die beiden regierenden Volksparteien deutlich Stimmen verloren. Die Sozialdemokraten des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller blieben aber die mit Abstand stärkste Partei.
Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF vom Sonntagabend verlor die SPD im Vergleich zur Wahl 2011 mehr als sechs Prozentpunkte und kam auf nur noch 21,6 bis 21,7 Prozent der Stimmen, ihr bisher schlechtestes Ergebnis in Berlin. Die mitregierenden Christdemokraten von Bundeskanzlerin Angela Merkel büssten mehr als fünf Prozent ein und fielen auf 17,5 bis 17,8 Prozent.
Die bisherige rot-schwarze Koalition ist damit abgewählt. Die SPD braucht zum Weiterregieren nun mindestens zwei Koalitionspartner.
Die Grünen verschlechterten sich auf 15,1 bis 15,3 Prozent. Die im Osten der Stadt traditionell starke Partei Die Linke erzielte bei einem Plus von etwa vier Punkten 15,6 bis 15,7 Prozent.
Die AfD, die zum ersten Mal in Berlin antrat, kam auf 13,9 bis 14,1 Prozent. Damit lag sie deutlich unter ihrem Ergebnis zwei Wochen zuvor in Mecklenburg-Vorpommern, als sie mit 20,8 Prozent zweitstärkste Partei geworden war. Die erst 2013 gegründete Partei sitzt jetzt in 10 von 16 deutschen Länderparlamenten.
FDP wieder dabei
Die Liberalen (FDP), die bei der Wahl 2011 auf 1,8 Prozent abgestürzt waren, schafften mit 6,6 bis 6,7 Prozent den Wiedereinzug ins Landesparlament. Die Piratenpartei, die 2011 neu in die Volksvertretung eingezogen war, schied mit nur 1,7 Prozent wieder aus.
Nach den Hochrechnungen kommt die SPD auf 35 Sitze im Landesparlament, die CDU auf 29. Die Grünen erhalten 25, die Linke 26, die AfD 23 und die FDP 11 Mandate. Die Wahlbeteiligung lag mit 66,4 Prozent deutlich höher als 2011 (60,2 Prozent).
Kein richtiger Sieg
«Wir haben unser Ziel erreicht», sagte Müller bereits kurz nach Schliessung der Wahllokale. «Wir sind stärkste politische Kraft in dieser Stadt geblieben» und «wir werden auch weiterhin den regierenden Bürgermeister stellen».
Der SPD-Chef im Bund, Sigmar Gabriel, begrüsste zwar den Erfolg Müllers, sagte aber auch mit Blick auf die Verluste der SPD: «Natürlich brechen wir nicht in Jubel aus bei dem Ergebnis.» Von «bitteren Verlusten» sprach auch Landesfraktionschef Raed Saleh.
Der Spitzenkandidat der CDU, Frank Henkel, sprach von einer Niederlage der grossen Koalition insgesamt: «Es lässt sich sagen, dass dies kein guter Tag für die Volksparteien ist.» Der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer warnte davor, das Ergebnis auf den Bund zu übertragen: Berlin sei «ein spezielles Pflaster».
Die deutsche Hauptstadt, die mit mehr als 3,5 Millionen Einwohnern ein eigenes Bundesland ist, wurde seit der Wahl 2011 von einer rot-schwarzen Koalition aus SPD und CDU regiert. Müller hatte vor der Wahl erklärt, nicht länger mit den Christdemokraten regieren zu wollen.
Wohl ein Dreierbündnis
Der SPD-Spitzenkandidat hatte das Amt erst 2014 in der laufenden Wahlperiode nach dem Rücktritt des langjährigen Bürgermeisters Klaus Wowereit übernommen. Nach den ersten Trends ist nun ein Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei die für Berlin wahrscheinlichste Regierungsoption.
Führende Grünen-Vertreter erklärten bereits kurz nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen ihre Bereitschaft zum Eintritt in die Landesregierung. «Wir brauchen jetzt eine bessere Politik, deswegen stehen wir jetzt bereit», sagte Bundesparteichefin Simone Peter.
Zurückhaltender äusserten sich Vertreter der Linken. Bundesparteichefin Katja Kipping hob die Stimmengewinne ihrer Partei hervor. «Heute freuen wir uns, ab morgen reden wir darüber, wer mit wem worüber spricht», sagte die Berliner Landeschefin Katrin Lompscher.
Stimmungstest
Die Wahl in Berlin galt auch als Stimmungstest ein Jahr vor den nationalen Wahlen im September 2017. Bei den bisherigen Landtagswahlen in diesem Jahr in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im März sowie in Mecklenburg-Vorpommern Anfang September hatten die Volksparteien CDU und SPD zum Teil ebenfalls deutliche Verluste erlitten.
Vor der Bundestagswahl stehen nächstes Jahr noch Landtagswahlen im Saarland (März), Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen (Mai) an.