Eine neue Waffenruhe lässt in Syrien auf eine Atempause von den Kämpfen hoffen. In der Nacht zum Samstag werde ab 01.00 Uhr Ortszeit ein «Regime der Ruhe» in einigen Landesteilen gelten, erklärte das Militär am Freitag.
In der Hauptstadt Damaskus und in einer Region östlich davon werde die Waffenruhe 24 Stunden gelten, nördlich der Hafenstadt Latakia 72 Stunden. Ein Vertreter der Opposition sprach von einem «Regime der Stille», auf das sich die USA und Russland verständigt hätten. Dieses werde auch in Aleppo greifen, zitierten ihn russische Medien.
Das syrische Militär erwähnte Aleppo nicht. Die Lage in der teils von Rebellen und teils von der Regierung kontrollierten Grossstadt ist besonders prekär. Mehr als 200 Zivilisten wurden dort nach Angaben aus dem Umfeld der Opposition in den vergangenen sieben Tagen getötet.
Neue Luftangriffe
Bei neuen Luftangriffen auf eine Gesundheitsstation und andere Ziele in Aleppos Rebellengebieten kamen am Freitag mindestens elf Menschen ums Leben, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Sie machte Syriens Luftwaffe für die Angriffe verantwortlich. Demnach feuerten Rebellen zugleich auf eine Moschee sowie andere vom Regime gehaltene Orte der Stadt und töteten mindestens 13 Menschen.
Erst in der Nacht zum Donnerstag waren bei der Bombardierung eines von der Organisation Ärzte ohne Grenzen unterstützten Spitals mehr als 50 Menschen getötet worden. Es liegt im Viertel Sukkari, das ebenfalls unter Kontrolle der Aufständischen steht. Unter den Opfern war laut Ärzten ohne Grenzen der letzte Kinderarzt, der noch in den Rebellen-Vierteln der ehemaligen Wirtschaftsmetropole praktizierte.
Letzten Nachschubweg kappen
Assad-treue Kräfte kontrollieren den Westen der einst zweitgrössten Stadt Syriens, Regimegegner den Osten. Die Armee versucht seit längerem, den letzten Nachschubweg der Rebellen zu kappen.
Formell gilt bereits seit Februar eine auf Initiative der USA und Russland vereinbarte Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien. Lediglich besonders radikale Gruppen wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) oder der Al-Kaida-Ableger Nusra Front sind davon ausgenommen, sie dürfen weiter bekämpft werden. Doch in den vergangenen Tagen erwies sich diese Waffenruhe als zunehmend brüchig.
Das wiederum gefährdet die internationalen Bemühungen zur politischen Lösung des Syrien-Konflikts in Genf. Ob sie effektiv fortgesetzt werden können, ist angesichts der Lage derzeit völlig ungewiss. Wegen der zunehmenden Gewalt im Bürgerkrieg hatte die Opposition die Friedensgespräche in Genf Ende vergangener Woche verlassen.
«Tödliche Eskalation» in Vorbereitung
UNO-Menschenrechtskommissar Seid Ra’ad al-Hussein sagte, die Gewalt in Syrien steige auf ein Niveau wie vor der im Februar in Kraft getretenen Waffenruhe. Es gebe verstörende Berichte über militärische Vorkehrungen, die darauf hindeuteten, dass «eine tödliche Eskalation» vorbereitet werde.
Alle Konfliktparteien zeigten eine «monströse Missachtung» zivilen Lebens. Aus vielen Städten, darunter Aleppo, Homs und Damaskus, würden immer mehr zivile Opfer gemeldet.