Die vom Iran offensichtlich als offizielle Reise betrachtete Privatreise einiger SVP-Politiker wirft in der Schweiz hohe Wellen. Von Schweizer Aussenpolitikern moniert wird, dass SVP-Nationalrat Luzi Stamm bei einem Treffen mit iranischen Parlamentariern die Sanktionen kritisiert hat.
«Es war eine private Reise von einigen SVP-Politikern, die leider nicht ganz so privat blieb», sagte der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats, Felix Gutzwiller (FDP/ZH) der Nachrichtenagentur sda. «Eine Privatreise sollte man aber privat halten.»
Es sei ausserdem «naiv zu meinen, wenn man im Iran Parlamentarier trifft, werde dies nicht medial ausgeschlachtet». Er sei «gespannt, was die Kollegen über die Reise berichten». Die APK werde diese aber nicht «zitieren». «Das können wir gar nicht, denn wir haben keine Sanktionsmöglichkeiten», sagte Gutzwiller trocken.
Kein Mandat
Der Präsident der APK des Nationalrats, Carlo Sommaruga (SP/GE), kritisierte Stamm scharf. Stamm habe bei seinem Treffen mit dem Präsidenten der aussenpolitischen Kommission des iranischen Parlaments, Aladdin Borugerdi, den Eindruck erweckt, dass er offiziell vom Schweizer Parlament delegiert worden sei.
«Dabei hatte er kein Mandat, gar nichts», sagte Sommaruga. «Es war keine offizielle Parlamentarierreise; es war noch nicht einmal eine offizielle Reise der SVP.» Die Äusserungen Stamms seien zudem «äusserst problematisch» gewesen.
Steilvorlage für den Iran
Auch in den meisten Schweizer Medien erhielt Stamm schlechte Noten: Die Neue Zürcher Zeitung zum Beispiel urteilte, dieser habe dem iranischen Regime einen «Propaganda-Coup» ermöglicht.
Stamm hatte am Ostermontag beim Treffen mit Borugerdi die Sanktionen kritisiert. Diese seien falsch und liefen der moderaten Schweizer Aussenpolitik zuwider, wurde er darauf unter anderem auf der Website der englischsprachigen «Teheran Times» zitiert.
Stamm: USA und EU halten sich nicht daran
Stamm erklärte gegenüber der sda, die Diskussion mit Borugerdi sei auf Englisch geführt worden. Das Zitat sei nicht «so wörtlich» gefallen, doch «der Grundtenor stimmt», erklärte er in einem E-Mail.
Er habe sich «klar geäussert, dass es völlig deplatziert ist, wenn Schweizer Unternehmen keine Schraube mehr liefern dürfen und Schweizer Banken (von den USA, Red.) zu »Bussen« – faktisch Schutzgeldern – verpflichtet werden, aber von Coca Cola bis französische Autos im Iran alles erhältlich ist».
Ziel der «privaten Reise» sei auch gewesen zu schauen, ob die Sanktionen nicht «von den Grossmächten umgangen» würden. Als SVP-Mitglied sei er zudem grundsätzlich dafür, dass sich die neutrale Schweiz keinen Boykotten anschliesse.
«Die Schweiz soll verkaufen und Handel treiben dürfen, bis die UNO sagt, man darf es nicht», sagte Stamm in der Sendung «Echo der Zeit» von Schweizer Radio SRF. Die Schweiz solle sich weder von den USA noch der EU unter Druck setzen lassen, bei Sanktionen mitzumachen.
Firma eines Bekannten betroffen
Stamm erwähnte eine Schweizer Firma für medizinische Geräte, die den Iran nicht mehr beliefern kann, weil sie befürchtet, dass sie sonst ihre Zweigstelle in den USA schliessen müsse. Den Namen des Unternehmens wollte er nicht nennen.
In Teheran traf Stamm auch Parlamentarier, die der «Gruppe Schweiz» angehören, sowie Vertreter der iranischen Behörden. Zudem habe er privat einen Bekannten getroffen, der sich beklagt habe, dass er in der Schweiz keine medizinischen Geräte und Medikamente mehr kaufen könne.
Die Reise war von alt SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer (ZH) organisiert worden. Mit von der Partie waren noch andere SVP-Mitglieder, die Nationalräte Jean-François Rime (FR), Yves Nidegger (GE) und Lukas Reimann (SG) sowie alt Nationalrat Dominique Bättig (JU).
APK-Präsident Sommaruga kritisierte, dass Kommissionsmitglied Stamm die APK von der Reise nicht vorab informiert habe. Zudem habe Stamm in der APK selbst die Sanktionen gegen Iran nie kritisiert.
Nationalrat Reimann veröffentlichte auf seiner Website eine Stellungnahme, die in Teilen mit Stamms übereinstimmt. Für Reimann, der 2009 für das Minarettverbot gekämpft hatte, standen die Sanktionen im Zentrum und die Frage, ob die Schweiz «von den Grossmächten» nicht dazu «erpresst» werde, diese mitzutragen, und so «einfach die Schweiz als unliebsamer Konkurrent ausgeschaltet wird».
Wer hat’s bezahlt?
Sommaruga möchte wiederum wissen, wer die zehntägige Reise bezahlt hat. Er forderte Reimann auf, seine Angabe, er habe alles selbst bezahlt, auch zu belegen, und zwar inklusive der internen Flüge in Iran oder der Hotels. Sonst riskiere man seine Unabhängigkeit, sagte der APK-N-Präsident.