Religiöse Apps: Personal Jesus

Transformationen der Religion durch die Digitalen Medien: Werden religiöse Rituale in Zukunft dank Apps regelmäßiger befolgt? Können dank unterhaltsamen Jesusfiguren mehr Personen mit der Botschaft Gottes erreicht werden? // Text von Tanja Hoch Ersetzen Apps wie Islamic Compass oder Personal Jesus seriöse Glaubensausübung durch Relitainment? Welche religiösen Rituale kann man mit dem Smartphone vollziehen? In der […]

Transformationen der Religion durch die Digitalen Medien: Werden religiöse Rituale in Zukunft dank Apps regelmäßiger befolgt? Können dank unterhaltsamen Jesusfiguren mehr Personen mit der Botschaft Gottes erreicht werden? // Text von Tanja Hoch

Ersetzen Apps wie Islamic Compass oder Personal Jesus seriöse Glaubensausübung durch Relitainment? Welche religiösen Rituale kann man mit dem Smartphone vollziehen? In der gestrigen Ringvorlesung zur Transformationen der Religion durch die digitalen Medien hat uns Tanja Hoch einige religiöse Apps vorgestellt. 

 

Die App „Personal Jesus“ ist ein einzelnes Beispiel für die unglaubliche Vielfalt religiöser Apps, die heutzutage erhältlich sind. Stellt die App einen ernstzunehmenden Teil religiöser Identität dar und erfüllt sie die Rolle der Verbreitung des Wort Gottes auf ausreichende Weise? Und allgemeiner formuliert: Werden religiöse Rituale in Zukunft dank Apps regelmäßiger befolgt? Können dank unterhaltsamen Jesusfiguren mehr Personen mit der Botschaft Gottes erreicht werden?

Wer die Hersteller von „Personal Jesus“ sind und mit welchen Intentionen die App programmiert wurde, lässt sich einfach beantworten: die Hersteller geben sich unerkenntlich und die App ist gratis, also dient sie mit großer Sicherheit lediglich dazu, Daten der User zu sammeln, was auf die Dimension des Internets als allwissendes Wesen hinweist.

Die meisten religiösen Apps beinhalten die Möglichkeit, Inhalte mit anderen auf Facebook, Twitter und Co. zu teilen, wie auch im Werbeclip von „Personal Jesus“ zu sehen ist. Dadurch, dass Glaubensbekenntnisse, Gebete, Inspiration, Fotos und vieles mehr auf öffentlichen und halböffentlichen Seiten geteilt wird, entsteht ein globaler Austausch. Der Begriff der Gemeinde umfasst nicht mehr nur Offline-Kontakte, sondern enthält auch Personen, mit denen man nur virtuell kommuniziert. Teilweise werden eigens für User solcher Apps soziale Plattformen geschaffen, auf denen mit Filtern bearbeitete Fotos hochgeladen und füreinander gebetet werden kann. Man könnte dieses Verhalten Social Media Praying taufen.

Solche Apps sind das perfekte Werkzeug, um die religiöse Identität zu konstruieren und lassen sich durch die Mobilität von Smartphones und Tablets ideal in den Alltag integrieren. Doch auch hier darf man nicht vergessen, dass alle Informationen gesammelt und eventuell von religiösen Autoritäten verwendet werden, um in Zukunft eine neue Dimension religiöser Kontrolle auszuüben.

Eine bemerkenswerte App für Muslime ist der „Islamic Compass“. Sie berechnet automatisch Gebetszeiten mit Hilfe von GPS und spielt einen Adhan-Alarm ab, der dem Benutzer sagt, wann es soweit ist, sich zum Gebet hinzuknien. Wie der Name der App suggeriert, hat sie einen integrierten Kompass, der stets nach Mekka zeigt, damit man ohne Probleme die korrekte Ausrichtung zum Beten findet.

Apps, welche Passagen oder den ganzen Text des Korans für Smartphones bereitstellen, eröffnen die Frage, ob man das Gerät mit auf die Toilette nehmen darf, da die heilige Schrift nicht an unreine Orte gehört. Gelehrte des Islams haben dazu eine differenzierte Meinung geäussert: Wenn die App den Koran als Text bereitstellt, darf man sein Handy nicht auf die Toilette mitnehmen, ausser man schaltet es ganz aus. Wenn er hingegen als Audiodatei mediatisiert ist, dann sei es in Ordnung, da der Ton im Gerät enthalten ist und nicht visuell auf dem Bildschirm erscheint.

Die vom Vatikan abgesegnete „Confession: A Roman Catholic App“ dient als Hilfestellung für den Gang zum Beichtstuhl, ersetzt ihn aber nicht. Solche religiösen Akte können also laut der katholischen Autorität nicht von Apps ersetzt werden. Generell stellt sich die Frage, welche Apps künftig von religiösen Autoritäten autorisiert werden und welche Rolle Apple dabei als finale Kontrollinstanz spielt.

Für fast jede erdenkbare Religion gibt es eine Vielzahl Apps. Das reichhaltige Angebot und die schiere Vielfalt an Religionen, die jeweils verschiedene Einstellungen zur Materie haben, eröffnen ein riesiges Forschungsfeld.
Was sich auf jeden Fall festhalten lässt, ist die Tatsache, dass Offline- und Online-Leben durch die zunehmende Mobilität des Internets keine getrennten Welten mehr sind. Die Identity-Work, die virtuell betrieben wird, ist genauso wichtig, wie die, die in der materiellen Welt performiert wird. Insbesondere die Sharing-Funktion, die den gemeinsamen Nenner der meisten religiösen Apps darstellt, soll hier ins Zentrum gerückt werden. Sie ist das Mittel zum Zweck: sie erfüllt einerseits das Ziel, die Inhalte der Religionen zu verbreiten, andererseits dient sie als virtueller Speicher der religiösen Identität.

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