Review zu „Filter Bubble – Wie wir im Internet entmündigt werden“ von Eli Pariser (2012) //
Wir entdecken zunehmend Nachrichten und Inhalte über Seiten wie beispielsweise Ron Orp oder Facebook, weil Freunde und befreundete Seiten diese posten. Zeit ist knapp und Informationsbeschaffung aufwändig: Tag für Tag besuchen wir die gleichen Seiten und personalisierte Newsfeeds navigieren uns durch das Datenmeer. Was aber, wenn die Informationen, die wirklich zählen, von uns nicht mehr gesehen werden? Im darwinistischen Umfeld der hyperrelevanten Newsfeeds können Inhalte über Probleme wie beispielsweise Datenschutz oder der Klimawandel nicht mit amüsanten Youtube-Videos, Promi-News und Kätzchen konkurrieren. Wo das Problem ist? Wir verlieren zunehmend gesellschaftlich und politisch relevante Themen aus den Augen, sie uns im Gegenzug aber nicht.
Manuel Thomas stellt uns das Buch Filter Bubble – Wie wir im Internet entmündigt werden von Eli Pariser vor und fragt: Was passiert, wenn wir uns mit Informationen amüsieren, mit denen wir uns am ehesten identifizieren, anstatt mit gesellschaftlichen und politischen Themen konfrontiert zu werden, die nicht mit unserer Weltanschauung konform sind? Ist dies das Ende der Demokratie?
Wovon handelt das Buch? Personalisierung, Ego-Loops und Fragmentierung.
Das heisst? Filter im Netz schauen sich an, was man mag, nicht mag, wann man online ist, wo man online ist – und ziehen entsprechende Rückschlüsse. Die Filter generieren so eine Theorie zur Persönlichkeit des Nutzers und sagen voraus, was man als nächstes ansieht, anklickt, wählt – vom Buch im Internetversandhaus bis hin zur politischen Partei –, und erschaffen für jeden von uns ein eigenes Informationsuniversum, die sogenannten Filter Bubble.
Das bedeutet? Einmal in diesen gefangen, befinden wir uns in einem permanenten Ego-Loop; so bekommen wir nur noch Informationen durch den Filter serviert, die zu unserer Persönlichkeit passen – andere Blickwinkel, abweichende Standpunkte, andersartige Lebensentwürfe werden ausgeblendet und zum blinden Fleck unseres Internetkonsums. Diese Fragmentierung hat gleichsam kolossale als auch katastrophale Auswirkungen auf uns und das demokratische Potential des Internets, das lange Zeit als Agora des 21. Jahrhunderts gefeiert wurde, wird nur noch zur triebhaften Befriedigung des eigens erschaffenen Online-Narzissmus genutzt.
Ein Schlagwort aus dem Buch? Ich-Schleife.
Eine Lieblingspassage? Parisers Plädoyer für das Abenteuer: „Die Welt folgt oft vorhersehbaren Regeln und fällt in vorhersehbare Muster: Die Gezeiten kommen und gehen, Mond- und Sonnenfinsternis nahen heran und gehen vorbei, und selbst das Wetter ist immer vorhersehbarer. Wenn aber diese Denkweise auf das menschliche Verhalten angewandt wird, kann es gefährlich werden. Denn unsere besten Momente sind oft die vollkommen unerwarteten. Ein gänzlich vorhersehbares Leben ist nicht lebenswert.“
Stört etwas? Egal ob „Assoziation, „Kreativität“, „Identität“ oder „Freiheit“: Pariser versteht es, schwer fassbare Themen anzusprechen und anschaulich zu präsentieren – mit vielen Anekdoten garniert, leicht konsumierbar, aber auf Kosten der Komplexität und mit einem bitteren Nachgeschmack. So verzichtet er oftmals zugunsten einer schön klingenden oder manchmal auch vor Pathos triefenden Formulierung auf eine ausgereifte argumentative Entfaltung seiner Thesen und Bezüge.
Warum soll ich das Buch lesen? Die Personalisierung im Internet betrifft jeden von uns und hat auf lange Sicht gravierende Konsequenzen für Kultur, Gesellschaft und Politik. Online-Aktivist Pariser wendet sich mit seinem Buch gegen die Big Player des Internets – seien es Google, Facebook, oder Amazon –, und erhebt dabei nicht nur den mahnenden Zeigefinger, wie viele Autoren, die dem critical turn des Internets angehören und dessen negative Auswirkungen auf den Menschen und die Gesellschaft problematisieren und theoretisieren, sondern gibt auch praktische Tipps, wie man sich politisch gegen die Personalisierung einsetzen und die eigene Filter Bubble zum Platzen bringen kann.
Woran erinnert Buch? An eine von vielen Einkaufstouren durch ein grosses Online-Versandhaus: Eigentlich suchte ich nur ein bestimmtes Buch oder Videospiel, doch dann wurde mir noch eines empfohlen, welches mich ja auch garantiert interessieren wird. Und noch eines. Und wieder eines. Und irgendwann war der Einkaufswagen voll und das Bankkonto leer.
Lust bekommen, die eigene „Filter Bubble“ zum Platzen zu bringen? Tipps und aktuelle Berichte zum Thema publiziert der Autor in seinem Blog.
Keine Lust mehr zu Lesen? Eli Parisers Ted Talk: Beware online „Filter Bubbles“