(Bild: Hansjörg Betschart)
Wenn es ohnehin ein Leben nach dem Tod gibt, wozu dann der Tod? Nicht nur Jugendliche finden den Tod oft genug keine gute Idee. Ist das Leben deshalb eine bessere?
Wenn in „Restless“ der jugendliche Enoch (gespielt von Dennis Hoppers Sohn Henry) unter die Lebenden tritt, tut er das wie Moritz Stiefel in Wedekinds „Frühlingserwachen“: Gereift, enttäuscht und lebenshungrig – bloss den Kopf trägt er nicht unter seinem Arm. Enoch, der schon tot war (oder noch ist?), wird durch den Tod vor Fragen gestellt, deren Beantwortung ihm die Lebenden vorenthalten wollen. Warum mussten seine Eltern sterben? Wonach suchen Menschen auf Beerdigungen? Selbst Enochs Freund Hiroshi, der ihn, aus dem Jenseits kommend, neuerdings begleitet, rückt nur langsam mit Antworten heraus: Warum gewinnt der Geist das jungen Kamikaze-Bombers beim Schiffeversenken-Spiel?
Auch bei Annabel (Mia Wasikowska hinreissender als Jean Seberg) verlaufen die Grenzen zwischen Tod und Leben nicht wie bei normalen Sterblichen: Bei ihr sitzt der Tod bereits vor der Tür. Sie hat noch drei Monate zu leben, sagen die Ärzte. Manchmal macht sie das sogar leise fröhlich.
Wie Gus van Sant (Good Will Hunting, Elephant, Milk) in „Restless“ die Suche der beiden Jugendlichen nach dem Sinn des Lebens vor dem Tod begleitet, ist auf allen Ebenen intelligent und – nie kitschig: Die Bildersprache, die die jugendlichen Liebenden in unaufgeregte Langsamkeit bettet, holt uns sachte in die Love-Story. Die beide finden an den Orten ihrer Einsamkeit zueinander. In der Natur. Auf Friedhöfen. Im Spital. Die Bilder folgen der Annäherung ganz unaufgeregt: Nur zu Halloween, der Party der lebenden Toten, wird die Optik einmal kurz sterbenshektisch. Danach bleibt Van Sant wieder der Entschleunigung treu. Selbst dort wo die Geschichte kitschig werden könnte, bleiben die Dialoge vielschichtig: Als Enoch zum ersten Mal an die sterbende Anabel tritt, löst sie das Spiel auf, als habe sie nur an einer Theateraufführung teilgenommen. „Restless“ ist bis in die Namensgebung vieldeutig: Enoch hiess der Sohn Kains. Und dass der japanische Freund Hiroshi heisst, öffnet die Phantasie weit über den Tod eines Liebespaares hinaus. Ja, selbst in der Musik bleibt der Film uneindeutig klar: Wenn die Beatles zu Beginn „We’re on our way home“ singen, klingt das – so heiter wie traurig – als würden es die Kinder, die abhauen, selber singen wollen: „We run away home“.
Der Film endet, wie er begann. Mit einem Begräbnis. Wieder nimmt Enoch daran teil, als wäre es sein eigenes, leise, lächelnd, liebend – als wäre er bloss ein Gedanke der Toten.