Basel hat immer schon vom und am Wasser gelebt. An den Ufern von Rhein, Birsig, Birs und Wiese ist die Stadt entstanden. Aber wie lassen sich Gewässer in eine pulsierende Stadt des 21. Jahrhunderts vorteilhaft integrieren?
Lange Zeit waren in der Stadt Basel die Gewässer nur als Beseitiger von Unrat und Exkrementen genutzt worden. Vor allem der Birsig war wegen seines tiefen Wasserstandes in den Sommermonaten eine ständige Risikoquelle von Infektionen und Seuchen. Damals warfen die Stadtbewohner Unerwünschtes noch einfach in die Flussbetten, in der Erwartung, dass alles schnell aus der Stadt herausgetragen würde.
Kein Wunder also, dass dies zu den grossen Epidemien – Cholera (1855) und Typhus (1865) – entscheidend beitrug. Zu den Hygieneproblemen hinzu kam das Problem einer ständigen Hochwassergefahr in den Monaten der Schneeschmelze. Letzter Zeuge ist die Messingtafel im Eingangsbereich des Rathauses, welche die Pegelstände der verheerenden Hochwasser von 1529 und 1530 zeigt.
Von der Kanalisation zur Flaniermeile
Diese Nachteile der offenen Gewässer haben dazu geführt, dass der Birsig um 1900 im Altstadtbereich überwölbt wurde. Auf der Überwölbung verkehren heute die Trams auf der Falknerstrasse zwischen Barfüsserplatz und Marktplatz. 1953 wurde der Birsig mit Abschluss der Überwölbungen bis zu den Stadtgrenzen endgültig aus dem Stadtbild entfernt.
Das gleiche Bild zeigen die trostlosen Einfassungen der Wiese. Da man die ständigen Überflutungen satt hatte, wurde 1562 begonnen, den Flusslauf künstlich zu korrigieren. Nicht zuletzt beobachtet man auch am Rhein den damaligen Trend, Wasserläufe ihrer Natürlichkeit zu berauben.
Die künstliche Einfassung und Korrektur des Flusses durch Johann Gottfried Tulla war eines der grössten Ingenieursprojekte des 19. Jahrhunderts. Ebendieser Tulla war es auch, der die 1807 von Johann Jacob Schäfer vorgeschlagenen Begradigungen und Betoneinfassungen der Birs, dem Grenzfluss zwischen den beiden Basler Halbkantonen, zu Ende plante und die Ausführungen begleitete. Die Bauphase dauerte von 1811 bis 1827, das Resultat waren erhöhte Fliessgeschwindigkeiten, die Vertiefung des Flussbettes und der Rückgang der Fischbestände.
Und heute?
Heute sind wir eines Besseren belehrt. Nicht nur, dass künstliche Einfassungen den Grundwasserspiegel senken – unser Wissen über Krankheitsübertragung, Abwasserreinigung und Hochwasserentschärfung hat sich in der Zwischenzeit enorm entwickelt. Wir stehen am Beginn einer Trendwende, die die Gewässer unserer Stadt nicht mehr als Problemfälle, sondern als Chance entdeckt: Das neue «urbane Leben» spielt sich in Strassencafés, auf städtischen Plätzen und in Passagen, aber eben auch an den Stränden und Ufern der urbanen Gewässer ab.
Dort, wo die Flüsse weniger korrigiert oder wieder renaturiert wurden, finden wir heute Orte mit hoher Aufenthalts- und Erholungsqualität. An warmen Sommerabenden gibt es am Kleinbasler Rheinufer kaum noch einen freien Sitzplatz. Am Birsköpfli und an der Wiese im Bereich der Langen Erlen erblickt man Heerscharen von Menschen, die sich zu Picknick und Grillplausch niederlassen. Kinder planschen in den städtischen Brunnen und am See im Park im Grünen.
Eine neue Sichtweise
Die Menschen haben längst eine neue Sichtweise auf Gewässer entwickelt. Wurden die Gewässer früher nach Möglichkeit aus dem Stadtbild entfernt, so werden sie heute immer mehr zum begehrten Wohlfühlfaktor. Im stadtplanerischen Kontext fällt bei diesem Umdenkprozess oft der Begriff «Mediterranisierung». Gemeint ist ein langsamer Wertewandel von reiner Funktionalität hin zu mehr Lebensfreude im urbanen Umfeld. Anstatt die Stadt nur als Arbeitsplatz- und Produktionsstandort zu betrachten, rückt nun immer mehr die Verweilqualität in den Fokus der Bauvorhaben.
Die Zeiten der reinen Fixierung auf funktionierende Infrastruktur sind vorbei – heute muss eine Stadt auch ästhetischen Gesichtspunkten genügen. Dieser Prozess ist keineswegs nur in der Region Basel zu beobachten. Auch andere Städte erkennen die Vorzüge der Integration urbaner Gewässer in die Stadtplanung. Wichtig in diesem Prozess ist es, alle Akteure frühzeitig in die Planungen mit einzubeziehen. Konfliktpotenzial muss rechtzeitig erkannt und durch geeignete Massnahmen möglichst vermieden werden.
Und wie geht es weiter?
Die Internationale Bauausstellung Basel titulierte schon einige Projekte mit den Schlagworten «Vom Gewässer zur Lebenswelt» oder «Birspark Landschaft – das grüne Rückgrat der Region». Diese Projekte wollen erreichen, dass Gewässer noch mehr in den Fokus der Stadtentwicklung gerückt werden. Diesmal jedoch nicht, indem sie nach Möglichkeit beseitigt, sondern als Standort-, Wirtschafts- und Naherholungsfaktor verstanden werden. Zentrale Aussage: Die Flüsse sind nicht mehr Laster, sondern Chance.
Beispielhaft sei hier das Projekt «Garten der Metropole» genannt. Am Fluss «Wiese» wird ein rund sechs Quadratkilometer umfassendes Gebiet komplett renaturiert. Die frühere Auenlandschaft und der Lebensraum vieler einzigartiger Lebewesen sollen wieder hergestellt werden. Nutzungs-, (Trinkwasser-)Schutz- und Naherholungsansprüche werden hier nicht mehr als Gegensätze betrachtet, sondern sollen in Symbiose voneinander profitieren. Das Stichwort lautet hier «mehrdimensionale Nutzung» des Gewässers, das bedeutet etwa, dass alle Nutzer möglichst viel profitieren, jedoch möglichst wenige Nachteile erleiden sollen.
Im Erfolgsfalle dieses ambitionierten Anspruchs wird das Projekt wohl Symbolcharakter für alle weiteren Landschaftsprojekte in der Region Basel haben. Für die Minimierung des Konfliktpotenzials ist ein triregional ausgerichtetes «Konzept der Landschafts-, Gewässer-, Frei- und Grünräume» auf dem Wege, welches das Potenzial urbaner Gewässer und Erholungsgebiete fördern und koordinieren, jedoch allen Akteuren Raum zur individuellen Gestaltung lassen soll. Es soll als Fundament künftiger stadtplanerischer Aktivitäten agieren, und eine Art «Zonenplan» für die Naherholungsgebiete errichten. In diesem Sinne: Lasst uns die Sünden der Vergangenheit beheben und das Wasser zurück in die Stadt holen!