Ein heute 34-Jähriger hat vor zwei Jahren in Bern nachts eine Velofahrerin angefallen, sie in einen Wald geschleift, vergewaltigt und beraubt. Nun hat ihn das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren verurteilt.
Was die Frau erleben musste, sei der «blanke Horror», sagte die Anwältin des Opfers zu Beginn der Gerichtsverhandlung. Der Staatsanwalt sprach von einem «Horrorszenario». Das Opfer habe Todesangst ausgestanden.
Und auch Gerichtspräsidentin Christine Schär fand am Mittwoch bei der Eröffnung des Urteils deutliche Worte. Was in den frühen Morgenstunden des 7. September 2014 geschah, «ist vermutlich fast das Schlimmste, was einer Frau passieren kann».
Der heute 34-jährige gebürtige Liberianer hatte sich an einem dunklen, wenig frequentierten Ort bei einem Radweg etwas ausserhalb des Stadtzentrums von Bern hinter einem Baum versteckt. Als eine Velofahrerin zufällig vorbeifuhr, sprang er sie an und riss die Frau zu Boden. «Sei ruhig, ich habe ein Messer», soll der Angreifer gedroht und zunächst die Tasche der Frau verlangt haben.
Danach zerrte er sein Opfer an Haaren und Kleidern in ein nahes Waldstück, wo er sich mehrfach an ihr verging. Die Frau überlebte den Angriff mit erheblichen Verletzungen, darunter Knochenbrüche im Gesicht, die mehrfach operiert werden mussten. Auch psychisch litt und leidet die Frau noch heute unter dem Angriff.
Selbstmitleidiger Täter
Mit seinem Urteil liegt das Regionalgericht Bern-Mittelland nur knapp unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine achtjährige Freiheitsstrafe gefordert hatte.
Wie der Staatsanwalt hielt auch das Gericht die Aussagen des Opfers für sehr glaubwürdig, detailliert und in sich stimmig. Der Angeklagte hingegen suche ständig Ausflüchte und bagatellisiere das Geschehen. Echte Reue konnte das Gericht bei ihm nicht ausmachen. Vielmehr sehe sich der Angeklagte stets als Opfer. «Immer sind alle anderen schuld», betonte Schär.
Der Mann hatte im Verlauf des Verfahrens widersprüchliche Aussagen gemacht und Gestandenes teilweise widerrufen. Sein Verteidiger erklärte dies damit, dass sein Mandant den ersten amtlichen Verteidiger nicht richtig verstanden und gemeint habe, er müsse alles zugeben, was man ihm vorwerfe, auch wenn er es nicht getan habe.
Dieses Argument verfing vor dem Gericht nicht. Dies sei eine «reine Schutzbehauptung», sagte die Gerichtspräsidentin. Der Angeklagte könne und wolle offenbar nicht zu dem stehen, was er gemacht habe.
Herkunft von Gesichtsverletzungen unklar
Unklar blieb vor Gericht, wie sich das Opfer die erheblichen Verletzungen am Gesicht zugezogen hatte. Ein Gutachten besagte, die Verletzungen könnten durch Tritte oder Schläge oder aber beim Schleifen und Zerren auf dem Waldboden entstanden sein.
Nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» ging das Gericht schliesslich davon aus, dass der Angreifer die Frau nicht geschlagen oder getreten hatte – zumindest nicht mit Absicht.
Hingegen liess das Gericht das Argument der Verteidigung nicht gelten, der Mann sei in jener Nacht stark alkoholisiert gewesen und deshalb nicht voll schuldfähig. Der Angeklagte habe zwar Alkohol konsumiert, das habe aber seine Steuerungsfähigkeit nicht wesentlich beeinflusst. Immerhin sei er in jener Nacht noch Auto gefahren.
Die Verteidigung hatte in der Tat nur versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Raub gesehen. Sie hatte eine bedingte Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren verlangt.
Zurück in den Strafvollzug
Neben der nun ausgesprochenen siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe muss der Angeklagte dem Opfer eine Genugtuung von 25’000 Franken bezahlen. Der Mann befindet sich im vorzeitigen Strafvollzug. Dorthin kehrte er nach der Urteilseröffnung auch zurück.
Der Mann, der seit seinem 12. Lebensjahr in der Schweiz lebt und Berndeutsch spricht, ist vorbestraft, zumeist wegen Strassenverkehrsdelikten, aber auch wegen Drohung und Körperverletzung.
Nach der Schulzeit versuchte er sich unter anderem als Fussballprofi, was aber nicht gelang. Er hielt sich mit Aushilfsjobs über Wasser.