Mit einem Streichelroboter haben Forscher der ETH Lausanne (EPFL) Menschen dazu gebracht, sich mit einem virtuellen Selbst (einem «Avatar») zu verwechseln. Die Täuschung äusserte sich in einem Absinken der Hauttemperatur.
Dies berichten die Forscher im Lausanner Fachblatt «Frontiers in Behavioral Neuroscience». Bei so genannten ausserkörperlichen Erfahrungen (engl. «out of body experience») glauben Menschen, sich ausserhalb des eigenen Körpers zu befinden und sich selbst zu betrachten.
Experten schätzen, dass rund fünf Prozent der Bevölkerung schon einmal eine solche Erfahrung hatten – sie kann etwa beim Einschlafen auftreten oder eine Folge einer Hirnverletzung sein.
Das Team um Olaf Blanke von der EPFL spürt seit Jahren den körperlichen Ursachen solcher oft als paranormal betrachteten Erlebnisse nach. Nun konnten sie erstmals nachweisen, dass bei einer künstlich erzeugten ausserkörperlichen Wahrnehmung die Hauttemperatur an diversen Stellen absinkt, also eine physiologische Reaktion hervorruft.
Den Avatar gespürt
Die Illusion, sich ausserhalb von sich selbst zu befinden, erzeugten die Forscher mit einem Streichelroboter. Er streichelte die 22 Testpersonen am Rücken oder an den Beinen. Gleichzeitig betrachteten die Probanden über ein 3D-Display ein Abbild von sich selbst in Rückenansicht.
Bei diesem «Avatar» bewegten sich rote Punkte entweder an den Stellen, wo der Proband gestreichelt wurde (synchron) oder an den anderen Stellen (asynchron). Dann testeten die Forscher, wo die Testpersonen sich zu befinden glaubten – an ihrem wahren Standort oder näher beim Avatar.
Tatsächlich erzeugte synchrones Streicheln eine Ganzkörper-Illusion: Die Probanden waren verwirrt, wo sich ihr Körper befand, und identifizierten sich teilweise mit dem Avatar, schreibt der Frontiers-Verlag in einer Mitteilung. 70 Prozent von ihnen äusserten den Eindruck, dass die gespürten Berührungen vom Streicheln des Avatars herrührten.
Körperwahrnehmung geändert
An verschiedenen Körperstellen sank dabei die Hauttemperatur messbar, wenn auch nur geringfügig. «Wenn das Gehirn so einem Sinneskonflikt ausgesetzt ist, verändert sich die Wahrnehmung des eigenen Körpers», erklärte Erstautor Roy Salomon in der Mitteilung. «Das verursacht einen Abfall der Körpertemperatur.»
Ziel solcher Experimente sei es, die Gehirnmechanismen bei der Körperwahrnehmung besser zu verstehen, erklärte Studienleiter Blanke, Leiter des neuen Zentrums für Neuroprosthetik der EPFL. Dieses Wissen könnte zur Entwicklung von neuen Prothesen oder zur besseren Behandlung von Schmerzen nach Hirnschlag, Amputationen oder Tetraplegie führen.
Psychosen verstehen
Auch bei psychischen Störungen wie Schizophrenie oder Depressionen sind Körper- und Selbstwahrnehmung häufig gestört. «Wir hoffen, Patienten besser helfen zu können, wenn wir verstehen, wie diese Mechanismen funktionieren und wie sie bei Psychosen verändert sind», sagte Salomon.
Diese Arbeiten treibt das Team derzeit im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Synaptische Grundlagen psychischer Krankheiten» voran, der vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert wird.