Vor hunderttausenden begeisterten Fans sind die Rolling Stones erstmals im kommunistischen Kuba aufgetreten. Frontmann Mick Jagger und seine Bandkollegen rockten am Freitagabend (Ortszeit) bei einem kostenlosen Open-Air-Konzert in der Hauptstadt Havanna.
«Wir wissen, dass es vor einigen Jahren noch schwierig war, unsere Musik in Kuba zu hören», sagte Jagger unter grossem Jubel auf Spanisch. «Aber da sind wir.»
Das 450’000 Zuschauer fassende Veranstaltungsgelände, die Sportanlage Ciudad Deportiva, war brechend voll. Wer keinen Platz ergattern konnte, hörte von draussen zu: Die Musik war rund einen Kilometer weit zu hören.
Viele versuchten von den Dächern umliegender Häuser einen Blick auf die britischen Weltstars zu erhaschen. Insgesamt verfolgten etwa eine halbe Million Menschen das Konzert.
«It’s Only Rock ’n‘ Roll»
Jagger, seine Bandkollegen Keith Richards, Ronnie Wood und Charlie Watts sowie der Bassist Darryl Jones starteten mit dem Hit «Jumpin‘ Jack Flash». Sie spielten 18 ihrer grössten Hits – darunter «Sympathy for the Devil», «Angie», «Paint It Black» und das sehnsüchtig erwartete «Satisfaction».
Auch die Hymne «It’s Only Rock ’n‘ Roll» gaben die Stones zum Besten – möglicherweise als Botschaft an die kommunistische Führung des Inselstaats, die ihre Musik – und Rockmusik allgemein – in der Vergangenheit verboten hatte.
Jagger trat in einem glänzenden bordeauxfarbenen Hemd, einer schwarzen Hose und einem bunt funkelnden Pailletten-Jackett auf, fegte gewohnt energiegeladen über die Bühne und sprach zwischen den Liedern auf Spanisch. «Ich denke, die Zeiten ändern sich wirklich», rief er den Fans zu. «Das stimmt, oder?»
Jung und Alt hüpfen
Die Menge geriet völlig ausser sich, viele Zuschauer hüpften unentwegt auf und ab, bewegten sich zu den dröhnenden Gitarren-Solos und grölten bei den Stones-Hymnen mit.
Die Altrocker – Jagger und Richards sind 72 Jahre alt, Watts 74 und Wood 68 – lockten ältere Paare, Familien und auch sehr viele junge Menschen in die Sportarena nahe dem Zentrum von Havanna. «Es ist so fantastisch, dass sie nach Kuba gekommen sind und so viele verschiedene Menschen vereint haben, junge und alte», sagte der 24-jährige Andres Enda. «Das ist das erste richtige Konzert in Kubas Geschichte», sagte Abel Perez.
Eddie Escobar, der einen der wenigen Live-Rockmusik-Clubs in Havanna gegründet hat, nannte den Auftritt einen «Traum». Er erinnere sich daran, wie er einst heimlich US-Radiosender hörte, um die Stones, Led Zeppelin oder Deep Purple zu hören. «Ich hoffe, die Rockmusik wird dazu beitragen, andere Bereiche zu öffnen – die Politik, die Wirtschaft, das Internet», sagte der 45-Jährige.
Fehlende Infrastruktur
Die Rolling Stones hatten den Kubanern vorab ein unvergessliches Konzert versprochen. Es sei auch für die Band «ein historisches Ereignis». Der Auftritt stellte allerdings die Organisatoren vor gewisse Herausforderungen, denn nie zu vor hatte es ein solches Konzert in Kuba gegeben.
So fehlte die entsprechende Infrastruktur – und die Stones schafften ihre Technik selbst in 61 Schiffscontainern und in einem Flugzeug heran, wie die Organisatoren dem Magazin «Billboard» sagten. Eine 80 Meter lange Bühne und sieben Grossbildschirme wurden aufgebaut.
Der Handy-Empfang auf dem vollen Konzertgelände brach angesichts der Menschenmenge zusammen, und als Toiletten dienten Kabinen, die über Abflussgräben aufgestellt wurden.
Die britischen Altrocker besuchten Kuba wenige Tage, nachdem US-Präsident Barack Obama als erster amtierender Staatschef der USA seit fast 90 Jahren in Kuba gewesen war.