Mitt Romney hat seine Position hinsichtlich fast aller grosser Themen im Vorwahlkampf oder danach verändert. Der republikanische Präsidentschaftskandidat wurde prompt des «Flip-flopping» bezichtigt – der vollkommenen Revision seiner Überzeugung.
Mitt Romney hat seine Position hinsichtlich fast aller großer Themen im Vorwahlkampf oder danach verändert und wurde prompt des «Flip-flopping» bezichtigt, d.h. der vollkommenen Revision seiner Überzeugung, der Umkehr seiner (politischen) Entscheidungen. Das fängt bei dem hier sehr wichtigen Thema der Abtreibungsrechte an und hört irgendwo bei Gesundheitsreform auf. Man stellt sich also unwillkürlich die Frage, «Darf der das?» Denn es ist auf ganzer Bandbreite nicht nur ein Positionswechsel, es ist größtenteils eine 180-Grad-Wendung, und ein erheblicher Ruck nach Rechts.
So machen sich denn auch viele Kommentatoren einen Spaß daraus, Fernsehclips von Reden Romneys zu spielen, in denen er seine vor ein paar Jahren während seiner Amtszeit als Gouverneur von Massachusetts verabschiedete Gesundheitsreform anpreist. Natürlich tauchen sie auch in Anti-Romney Werbespots auf. Genau diese Gesundheitsreform war laut Obama das Modell für die seinige, aber als sie dann als „Obamacare“ unpopulär wurde, wollte Romney nichts mehr davon wissen. Er reihte sich in den Chor derjenigen ein, die sie als unamerikanisch verurteilten und gelobte, sie so bald als möglich wieder abzuschaffen. Er bemüht sich auch sehr, zu erklären, warum er jetzt so vehement gegen etwas ist, was er damals ebenso glühend verteidigte, und viele seiner detaillierten Erklärungen, warum er eigentlich nie etwas anderes gesagt habe, klingen sehr nach Clintons «I did not have sexual relations with that woman.» (Man erinnere sich an Monica Lewinsky…)
Wer hierzulande in der republikanischen Partei Erfolg haben will, muß einen bestimmten Katalog an konservativen «Werten» aufweisen können: 1. Abtreibung: dagegen, 2. Schwulenehe: dagegen, 3. Waffenbesitz: dafür, 4. Steuern: dagegen, 5. Deregulierung der Märkte: dafür etc. etc. etc. Die evangelistischen Christen und zwischenzeitlich auch die Tea Party haben die Partei dergestalt infiltriert, daß sie sich heutzutage als Königsmacher gerieren können. Im Vorwahlkampf wäre Romney beinahe an ihnen gescheitert; nun gilt es für ihn, sie hinter sich zu vereinen.
Das Urteil des Supreme Court letzte Woche zur Gesundheitsreform könnte genau diese Wirkung haben, denn jetzt hat man ein reelles gemeinsames Ziel, einen klaren gemeinsamen Feind. Den hatte man zwar davor schon, aber Chief Justice Roberts hat klargemacht, daß das Gericht tatsächlich unabhängig ist und die Reform nicht gekippt. Spöttische Kommentare, «Romneycare» habe gewonnen, wurden entsprechend schnell von Schreien nach einer politischen Wende im November erstickt. Man müsse dann die politischen Weichen anders stellen, sonst werde man dieses Gesetz nicht los.
Ist eine politische Kehrtwende also OK? Ist «Flip-flopping» also nur ein legitimes Umdenken, verbal beschmiert vom politischen Gegner? Persönlich hat es mich nie gewundert, daß politische Positionen so schnell und so gründlich verändert werden können, denn will man gewählt werden, muß man sich dem kleinsten gemeinsamen Nenner beugen. Der Preis, den man dafür bezahlt, ist Glaubwürdigkeit. Wenn Romney so komplett «umgedacht» hat hinsichtlich der Gesundheitsreform, wozu wird er noch seine Meinung ändern, nach der Wahl?
Also: «Darf der das?» – «Der darf das!?» Daß der das darf…