Auch 2015 werden wieder viele Parteien mit Volksbegehren auf Stimmenfang gehen. Von einer Initiativen-Flut wie bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2011 ist allerdings noch nichts zu spüren. Wird das Volksrecht künftig wieder etwas mässiger genutzt?
Für zehn Initiativen begann dieses Jahr nach einer Zwischenbilanz bis Ende September die 18-monatige Sammelfrist, für zwei mehr als zum selben Zeitpunkt des Vorjahres. Im Vor-Wahljahr 2010 waren insgesamt 15 Initiativen gestartet worden, 2011 sogar die Rekordzahl von 23 Volksbegehren.
Vier Initiativen zur Landwirtschaft
Gleich vier der heuer lancierten Initiativen befassen sich mit der Landwirtschaft, nämlich die Ernährungsinitiative des Bauernverbands, die Fair-Food-Initiative der Grünen, die «Hornkuh-Initiative»und die erst am Dienstag gestartete Initiative «Für Ernährungssouveränität» der Bauerngewerkschaft Uniterre.
Sodann macht sich Anita Chaaban, die Mutter der Verwahrungsinitiative, mit zwei Volksbegehren für weitere Verschärfungen des Strafvollzugs stark.
Unterschriften werden auch gesammelt für die Abschaffung der Billag-Gebühren für Radio und Fernsehen, für Tempo 140 auf Autobahnen, zugunsten der ehemaligen Verdingkinder und Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen sowie für die so genannte Vollgeld-Initiative.
Drei Initiativen sind bisher in diesem Jahr erfolgreich bei der Bundeskanzlei deponiert worden (Vorjahr: total 7). Neben der Ernährungsinitiative der Bauern handelt es sich um die «Milchkuh-Initiative» der Autolobby und die Juso-Initiative gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln.
Ebenfalls eingereicht worden, aber noch nicht formell zustande gekommen ist die Bankgeheimnis-Initiative eines bürgerlichen Komitees.
Initiativbogen statt Nastüechli
Weitere Initiativen dürften im Hinblick auf 2015 folgen, sind diese doch zu einer wichtigen Wahlkampflokomotive geworden. Es sei für die Kandidierenden halt angenehmer, die Leute auf der Strasse mit einem Unterschriftenbogen anzugehen als mit «bedruckten Nastüechli», sagt der Politologe Georg Lutz von der Universität Lausanne.
So gut wie sicher ist, dass die SVP mit einer Initiative gegen «fremde Richter» und/oder zur Asylfrage an den Start gehen wird. Schon 2007 und 2011 hatte die Partei mit der Ausschaffungs- und der Zuwanderungsinitiative erfolgreich auf das Thema Ausländer gesetzt.
Die SP ihrerseits will bei den Wählern mit einer Initiative «Eine Gutschrift für jedes Kind» punkten, und die CVP behält sich vor, Vorstösse zur Abschaffung der Kinder-Krankenkassenprämien und zur Sicherung von Wohlstand und Arbeitsplätzen zu lancieren, sollte sie mit ihren Anliegen im Parlament nicht durchdringen.
Vorsichtige Mitteparteien
Insgesamt würden aber die Parteien gegenüber 2011 wohl etwas zurückhaltender sein, vermutet Lutz. Sie hätten gemerkt, dass es inzwischen zu viele Initiativen gebe, um «effektives Agendasetting» betreiben zu können. Und die Mitteparteien müssten sich überlegen, ob sie die Ressourcen hätten,«sich unbedarft in solche Abenteuer zu stürzen».
Die FDP hat nach dem Flop mit ihrer Bürokratiestopp-Initiative von 2010 denn auch schon ausdrücklich ein neues Volksbegehren ausgeschlossen. Zu peinlich war der Partei das Unvermögen, die nötigen 100’000 Unterschriften zusammenzubringen.
Die BDP verzichtete ebenfalls, und die GLP will sich auf ihre 2012 eingereichte Vorlage «Energie- statt Mehrwertsteuer» konzentrieren. Das Stimmvolk wird es ihnen kaum verübeln, machen doch aktuell schon 14 Initiativkomitees Jagd auf Unterschriften.
Dazu dürften in nächster Zeit noch eine Reihe von Initiativen von Verbänden kommen. So will die Gewerkschaft vpod dem Masseneinwanderungsartikel den Kampf ansagen. Und auch die rechtsbürgerliche Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) feilt derzeit an einem Text, der die «Wiedererlangung der Eigenständigkeit» der Schweiz zum Ziel hat.
Bereits mit der nötigen 100’000 Unterschriften eingereicht und zwischen Bundesrat, Parlament oder Abstimmung hängig sind gegenwärtig 21 Initiativen. Der Pendenzenberg bleibt damit im Vergleich zu früheren Jahren relativ hoch.