Rumänien kam mit der besten Defensive aller 53 Mannschaften durch die EM-Qualifikation. Die Erwartungen für die EM sind gleichwohl nicht allzu hoch.
Die erste Turnier-Teilnahme seit acht Jahren darf nicht täuschen: Rumäniens Fussball erlebte schon deutlich bessere Zeiten als die Gegenwart. Die Achtzigerjahre zum Beispiel, als Steaua Bukarest den Meistercup gewann (1986). Oder die Neunzigerjahre, als das Nationalteam mit Stars wie Georghe Hagi, Adrian Popescu und Florin Raducioiu in den WM-Viertelfinal stürmte (1994). Wer vom Fussball in Rumänien sprach, benutzte Begriffe wie «Karpaten-Maradona» (Hagi) oder «Brasilianer Europas» (Nationalteam).
Diese Vergangenheit ist weit weg. Die Gegenwart sieht nicht gut aus. Im UEFA-Ranking sind die Klubs innerhalb von acht Jahren vom Platz 7 auf Platz 15 abgerutscht. Die letzte Saison war die schlechteste seit mehr als einem Jahrzehnt; kein rumänischer Verein erreichte die Gruppenphase der Champions League oder Europa League. Das Geld ist knapp, gerade im Verband. So hat kein Nationaltrainer an der EM ein kleineres Salär als der Rumäne Anghel Iordanescu, wie der TV-Sender «Digi Sport» berichtete.
Für professionelle Strukturen im Nachwuchsbereich fehlt das Geld ebenfalls. «Es gibt eine enorme Diskrepanz in der Juniorenarbeit zum Niveau in der Schweiz», sagte Steaua-Trainer Laurentiu Reghecampf. Die Resultate sind entsprechend. In den letzten zehn Jahren haben sich die drei Nachwuchs-Auswahlen (U17, U19, U21) bei 24 Versuchen ein einziges Mal sportlich für eine Endrunde qualifiziert.
Entsprechend farblos präsentiert sich auch das aktuelle rumänische Nationalteam. Waren früher noch Klubs wie der FC Barcelona, Real Madrid, Chelsea oder Milan Arbeitgeber von Hagi & Co. liest sich die Vereinsliste im rumänischen EM-Aufgebot nicht mehr wie das «Who is who» des Fussballs. Fiorentina (Torhüter Ciprian Tatarusanu) und Napoli (Abwehrchef Vlad Chiriches) bilden die Ausnahme. In der Regel spielen die rumänischen Internationalen in der Heimat oder in der Türkei, in Bulgarien oder in Kroatien.
In der EM-Qualifikation stellten die Rumänen mit bloss zwei Gegentoren die beste Defensive aller 53 Verbände. Trotzdem begleitet sie kein übermässiger Optimismus nach Frankreich. Die Probleme haben sich zuletzt gehäuft. Unmittelbar vor Beginn der EM-Vorbereitung in Norditalien wurde der Teamarzt nach 25 Jahren entlassen. Der erst 31-jährige Verbandspräsident Razvan Burleanu schickte ihm zum Ende eines Streits, der seinen Ursprung in den mafiösen Kreisen haben könnte, welche den Fussball in Rumänien umspannen, nette Grüsse hinterher: «Die medizinische Abteilung war ein Relikt der Korruption und des Amateurismus.»
Eher einen direkten Einfluss auf die Leistungen in Frankreich könnte dagegen haben, dass einzelne Schlüsselspieler nicht in Bestform an die EM reisen. Chiriches kam bei Napoli nur zu acht Einsätzen in der Serie A. Der zweite Routinier im Team, der Captain Razvan Rat, stieg mit Rayo Vallecano aus der Primera Division ab, nachdem er selbst wegen einer langwierigen Schulterverletzung monatelang hatte pausieren müssen.
So hofft Rumänien einerseits auf ein kompaktes Kollektiv und andererseits just an der EM auf den internationalen Durchbruch von zwei 23-Jährigen: Nicolae Stanciu von Steaua Bukarest und Florin Andone von Cordoba. Dem ersten wird das Talent bescheinigt, dereinst womöglich in die Fussstapfen von Georghe Hagi zu treten, der andere schoss in dieser Saison in der zweithöchsten spanischen Liga 20 Tore.
Doch es würde nicht zum aktuellen rumänischen Team passen, wenn Stanciu und Andone sorgenfrei ins EM-Abenteuer steigen könnten. Stanciu, der von verschiedenen Klubs der Serie A umworben wird, wünschte sein Präsident Gigi Becali vor wenigen Wochen und nach einer schwachen Leistung im Spitzenspiel gegen den späteren Meister Astra Giurgiu ins Pfefferland mit den Worten: «Ich bezahle die Italiener sogar, wenn sie Stanciu übernehmen.» Und Andone stösst erst fünf Tage vor dem EM-Startspiel gegen Frankreich zum Nationalteam, weil er zuvor noch in der Meisterschaft engagiert ist.