Rumhipstern in Stockholm

Stockholm, das Sommermärchen, Venedig des Nordens, Hort der Lebensqualität. Aber Stockholm im nordischen Frühjahr? Na, wieso nicht: Wir wollen schliesslich shoppen, Kaffee trinken, Kunst geniessen.

Panoramablick über Stockholm, links im Bild die Gamla Stan. (Bild: Andreas Schwald)

Stockholm, das Sommermärchen, Venedig des Nordens, Hort der Lebensqualität. Aber Stockholm im nordischen Frühjahr? Na, wieso nicht: Wir wollen schliesslich shoppen, Kaffee trinken, Kunst geniessen.



Panoramablick über Stockholm, links im Bild die Gamla Stan.

Panoramablick über Stockholm, links im Bild die Gamla Stan. (Bild: Andreas Schwald)

Als barttragender Zeitgenosse, der gerne Sachen trägt, in denen man sich wohl- und gutfühlt, muss man derzeit des Öfteren die unterschwellig leicht vorwurfsvoll-belächelnde Bezeichnung «Hipster» erdulden. Wobei da die Klamotten eher sekundär sind, glauben Sie mir: Es ist der Vollbart.

Verstehen wir also unter dem Wort «Hipster» die gepflegte neo-gentrifizierte Person des Mittelstands, in deren Bewusstwerdung der kümmerlichen Existenz die Nicht-Rasur von essenziellem Wert ist, dann verhalten wir uns auch mal so und reisen, ja, wohin? Nach Schweden!

Wunderschön gelegen ist die Stockholmer Kunsthochschule auf der Insel Skeppsholmen.

Wunderschön gelegen ist die Stockholmer Kunsthochschule auf der Insel Skeppsholmen. (Bild: Andreas Schwald)

Schliesslich rangiert Stockholm auf Rang drei der «Coolest Neighbourhoods in the World» der Mode-Zeitschrift «Vogue», genauer das Viertel Södermalm, noch genauer diese eine Gegend namens SoFo: «South of Folkungagatan». Na, Sie wissen schon: Die Abkürzung kommt von «SoHo», dem einst so hippen Viertel in New York. Wobei … Ach nein, dazu später mehr.

Wir reisen also nach Stockholm, weil Tokio (Rang 1) in Japan liegt und Toronto in Kanada (Rang 2) und der Mittelstand nun auch wieder nicht so viel verdient, dass er für ein Wochenende mal schnell nach Übersee jetsetten könnte. Da bieten sich die Flüge mit Swiss für etwas zwischen 150 und 200 Franken pro Weg ins Königreich Schweden eher an (Stand Februar/März).

Zwecks Unterbringung der kümmerlichen Existenz des sich im Jahr 2015 ohnehin als wurzellos empfindenden Anfangdreissigers eignet sich die Internet-Plattform «AirBnB». Für bereits ebenso kümmerliche rund 100 Franken ist die Nacht in einem kuscheligen Privatapartment geritzt. Dass man sich damit allenfalls illegaler Untervermietungen bedient: Sowas nimmt man in Kauf. Denn die Welt ist ungerecht, das Bett aber bequem und die Wohnung sauber.

Also. Gesetzt der Fall, dass auch Ihr Wochenende nur zwei Tage hat:

Tag 1

Ankunft. Sie nehmen den frühen Flieger ab Zürich und kommen zur Mittagszeit an. Lösen Sie ein 24-Stunden-Ticket für die U-Bahn (Tunnelbanan) und halten Sie sich fest: Überall Bärte! Ja, der Schwede trägt sein Gesichtshaar mit Stolz, und vielleicht handelt es sich dabei auch mal um einen echten Hafenarbeiter.

Zuverlässig und mit schönen Stationen: Die Tunnelbanan von Stockholm.

Zuverlässig und mit schönen Stationen: Die Tunnelbanan von Stockholm. (Bild: Andreas Schwald)

Wir fahren zuerst zur Station T-Centralen im Herzen der Stadt und schlendern in der Masse Richtung Kungsgatan, vorbei an unzähligen H&M-Filialen, weiteren Kleiderläden und ja, vielleicht kaufen wir auch das eine oder andere ein. Dazwischen machen wir einen Kaffeehalt zwecks fika, oder wie der Schweizer sagt: Käffele. Gelegenheiten gibts genug: Ob im Caféhaus oder in einer der unzähligen heimischen Filialen von «Wayne’s» oder «Espressohouse», die Stockholmer haben die Starbucks-Invasion recht erfolgreich abgewehrt.

Die Schweden haben eine Vorliebe für Filterkaffee, aber der süsse Kannelbullar (links) machts wieder wett.

Die Schweden haben eine Vorliebe für Filterkaffee, aber der süsse Kannelbullar (links) machts wieder wett. (Bild: Andreas Schwald)

Erinnern Sie sich an SoFo? Da gehts jetzt hin. Wieder in die Tunnelbanan, Station Medborgarplatsen im ehemaligen Arbeiterquartier Södermalm. Hier gibts Backsteinhäuser, Boutiquen, Second-Hand-Shops, Platten- und Musikläden, Inneneinrichtung, Nippes, so weit das Auge reicht. Machen Sie sich aber nichts vor: In der steifen Februarbrise sind die Strassen etwa so voll wie Ihr Portemonnaie nach der zweiten Shopping-Runde.

Abendprogramm: Auf dem Rückweg aus SoFo gehen wir zu Fuss zur Götgatan. Unterwegs bemerken Sie viele nette kleine Bars und Lokale mit ebenso netten Gästen und Angeboten. Der Alkohol ist teuer, aber seien wir ehrlich: Wer sich die urbane Preisgestaltung in der Schweiz gewohnt ist, den haut kaum mehr etwas um. Danach ab ins Bett.

Tag 2

Das Stockholmer Schloss im besten Licht – und mit einer paradierenden Wache.

Das Stockholmer Schloss im besten Licht – und mit einer paradierenden Wache. (Bild: Andreas Schwald)

Heute Kulturprogramm! Wir lassen uns von der Tunnelbanan nach Kungsträdgården fahren. Wir flanieren durch den Park und da ist es, auf der Insel Stadsholmen, gleich gegenüber des Parks: Das wuchtige Barockschloss der schwedischen Königsfamilie von Oberhaupt Carl XVI. Gustaf. Durchs Schloss gibts Führungen, viele Räume dienen permanenten Ausstellungen.

Im Winter lässt es sich im Kungsträdgården prima Schlittschuhlaufen.

Von hier aus können Sie entscheiden: Ein paar Hundert Meter weiter zum «Moderna Museet» auf der Insel Skeppsholmen? Oder über die Gamla Stan, die äusserst ansehnliche Altstadt, zurück nach Södermalm? Dort stünde immerhin das Fotografiemuseum «Fotografiska», ein eindrücklicher Fabrikbau mit tollen Ausstellungen. Und das Beste: Alles in Gehdistanz. Denn Ihr Tunnelbanan-Kurzabo dürfte mittlerweile sowieso schon abgelaufen sein.

Ausblick aus dem Fotografiemuseum Richtung Insel Skeppsholmen, auf der das «Moderna Museet» steht.

Ausblick aus dem Fotografiemuseum Richtung Insel Skeppsholmen, auf der das «Moderna Museet» steht.

Und natürlich gibts auch in dieser Stadt einen sonntäglichen Flohmarkt: Beim Hötorget an der Kungsgatan feilschen Sie um «Vintage» und «Second Hand». Aber verpassen Sie Ihren Rückflug nicht. Auch wenn der Arlanda Express Sie vom Bahnhof in zwanzig Minuten zurück zum Flughafen bringt und die Schweden mindestens ebenso effizient einchecken wie die Schweizer.

Vielleicht sind Sie nach der Reise nur um wenige innere Erkenntnisse reicher. Sicher ist Ihr Koffer aber ein paar Kilo schwerer, der Bart etwas länger und ihr Herz leichter. Ja, Sie werden sehen: Die frische Brise dieser Stadt bläst Ihnen den Staub aus der Seele. Existenziell.

Unterkommen: Das Angebot an Unterkünften der Plattform AirBnB ist auch in Stockholm gross und für einen Stadttrip bestens geeignet (zum Beispiel das hier, im Quartier Kungsholmen). Daneben gibt es eine breite Auswahl an Hostels und Hotels. Besonders schick und teuer ist das Grand Hotel Stockholm mit Sicht aufs Schloss und integriertem Wellnesspark.

Abhängen: Ganz klar in der modernen Innenstadt rund um die Strasse Kungsgatan und das Konzerthaus. Dort reiht sich Kaffeehaus an Kaffeehaus. Natürlich gehört auch die Insel Södermalm zu den klaren Ausgangstipps: In SoFo südlich der Strasse Folkungagatan finden Sie Boutiquen zuhauf. Schick und hip einkaufen können Sie dort auch entlang der Strassen Hornsgatan und Götgatan, die beide von der Tunnelbana-Station Slussen aus erreichbar sind.

Hin und zurück: Ab Zürich fliegt Swiss mehrmals pro Tag direkt nach Stockholm. Auch die skandinavische Airline SAS fliegt Stockholm direkt an. Umsteigeflüge gibts ebenfalls ab Zürich, aber auch ab Basel. Mit Preisen bis zu 200 Franken die Strecke ist aber zu rechnen. 

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