Mallorca, das ist doch die Insel mit den vielen Deutschen, Ballermann und so? Der Test zeigt: Stimmt gar nicht. Es ist sehr hübsch auf Malle.
Wochenendlich auf Malle klingt dekadent. Ist es auch, aber was will man machen. Eigentlich wollten wir eine bescheidene Reise mit dem VW-Bus machen, von Berlin aus ins Polnische. Ist gar nicht weit, ein bisschen herumfahren, Natur, Städtchen, keine grosse Sache. Aber der Wetterbericht war zu viel. 11 Grad, Regen, 4 Tage lang.
Also hin zum Billigflieger und Destinationen nachgeschaut: Germanwings fliegt für 150 Euro nach Palma – hin und zurück. Von Basel kommt es mit Air Berlin noch billiger, ist auch nur die halbe Strecke. Also Flug gebucht und am Abend vor dem Abflug auf airbnb.com nach Unterkünften geschaut. Es sind mehrere schöne dabei, Fincas im Grünen, aber inzwischen ist es schon Mitternacht geworden.
Wir schreiben Sascha an, dem die Finca gehört. Er sitzt ebenfalls in Berlin, aber wer weiss, wann der seine Mails anschaut. Die Nacht hindurch ist alles etwas surreal. Wenn alles klappt, wandeln wir nachmittags unter Palmen. Wenn nicht, nicht. Sascha antwortet um 8 Uhr morgens: alles klar. Treffen mit einer gewissen Christina um 17 Uhr in einem Kaff im Nordosten von Mallorca, die uns die Tür aufsperren wird.
Diese Finka gabs für 65 Franken pro Nacht. (Bild: Valentin Kimstedt)
Mit den Freunden, die wir in den Stunden vor Abflug noch treffen, ist es etwas seltsam. «Wir fahren nach Malle», sagen wir, und noch im selben Satz hängen wir eine ironisch-reflektierte Rechtfertigung mit an. Weil klar, Malle = Ballermann. Um klarzumachen, dass wir keine abgeschmackte Pauschaltour gebucht haben, betonen wir das Wort «Malle» extra proletig.
Trotzdem werden wir wohl mehr Deutsche als Spanier treffen, alle Wege werden auf Deutsch ausgeschildert sein, die Deutschen werden penetrant laut sein und zu den meisten Tageszeiten betrunken.
Okay, das mit den vielen Deutschen stimmt schon.
Zwar hat sich schon lange herumgesprochen, dass es im Hinterland von Mallorca anders aussieht, aber selbst als wir in Palma eine Tour machen, sind wir überrascht. Von Anlässen zur Fremdscham keine Spur, im Gegenteil ist Palma ein pittoreskes Städtchen mit niveauvollen Läden und Restaurants. Wo sind die klassischen Malle-Fahrer?
Gut, es ist Mai. Wer pauschal Malle bucht, fährt im Juli. Aber vielleicht ist die Insel auch ein bisschen out. Dieser Mallorca-Mythos mit Sangria aus Eimern und Komaschlaf am Strand, ist das nicht 90er- und allenfalls noch Nullerjahre?
Deutsche Stammgäste vor dem Mittagessen.
Die Sache mit den Eimern ist jedenfalls inzwischen verboten. Offensichtlich hatten die Mallorquiner selber nicht mehr Freude an der Entwicklung. Nach wie vor sind sie aber sehr gastfreundlich. Alle sind nett: beim Autoverleih, in der Beiz, im Laden, in der Strandbar, obwohl echt nicht wenig Touristen unterwegs sind. Respekt.
Bleibt die Frage, wie es denn nun aussieht im Hinterland von Mallorca. Es ist herrlich. Das Land ist saftig, Nachtigallen schlagen, die Strassen sind kurvig, gesäumt von Steinmauern.
Man kann gut wandern (wer es diesbezüglich richtig wissen will, geht am besten in den bergigen Westen), allerdings nicht einfach so losspazieren. Wie überall im Süden lieben die Mallorquiner Zäune und Tore. Es wäre mal eine Kulturbetrachtung wert: Die Gesellschaften, die den lebenslustigsten und feierfreudigsten Ruf haben, kontrollieren am genausten, wer wohin seine Schritte setzt. Im deutschsprachigen Raum, wo man frei durchs ganze Land laufen kann, ist man an anderer Stelle zugeknöpft. Jedem sein Kontrollbedürfnis.
Vorteilhaft verlaufen: Auf dem Umweg zur Ermita de Bonany.
Aber nun zum Kernthema, dem Strand. Es gibt sehr viele Buchten und Sandstrände auf Mallorca. Jeder wird seine Quellen haben und seine eigenen Orte entdecken.
Uns hat es Mesquida im Nordosten der Insel am meisten angetan. Hier kommt man mit dem Auto hin, oder man wandert durch einen Pinienhain hin. An der Strandbar gibt es guten Espresso, und wenn ein kleiner Wind geht, hat es hier Wellen, die gerade recht zum Toben sind.
Einen Trip in den Südosten ist das Örtchen Cala Figuera wert. Hier liegt ein verwinkelter Hafen, den man in der Hochsaison allerdings im Gänsemarsch umrundet. Umso erstaunlicher, dass hier Fischer am Arbeiten sind. Also nicht zu Show-Zwecken, sondern richtige Fischer, die in der Dämmerung mit Windjacke und Kippe im Mundwinkel zur See fahren. Ganz ehrlich: Mallorca, one love.
- Ausschlafen: In einer Finca, die man sich über Airbnb besorgt. Es gibt viele und die Preise sind mehr als in Ordnung. Unsere hatte sogar einen grossen Garten und Kamin.
- Rumfahren: Auf jeden Fall mit dem Auto (wer nicht das Rennvelo nimmt). Die ganze Insel ist voller genau gleich aussehender Mietwagen.
- Baden: Im Nordosten an der Cala Mesquida. Anfahrt mit dem Auto oder hinwandern durch Pinien von Cala Agulla aus.
- Muss nicht sein: Durch Städte und Dörfer bummeln. Sie sind schon hübsch, aber wie ausgestorben, wenn sie nicht von Touristen «belebt» sind.