Hunderttausende Katalanen haben am Sonntag ihre Stimme bei einer Volksbefragung über die Unabhängigkeit ihrer Region im Nordosten Spaniens abgegeben. Die Abstimmung verlief friedlich und fast ohne Zwischenfälle, das politische und juristische Hickhack dürfte aber weitergehen.
Bis 18.00 Uhr (Ortszeit) – zwei Stunden vor Schliessung der Wahllokale – hätten sich 1,98 Millionen Menschen an der unverbindlichen Befragung beteiligt, teilte Kataloniens Vizeregierungschefin Joana Ortega in Barcelona mit. Die Zahl der Stimmberechtigten wurde mit 5,5 Millionen beziffert.
Die mehr als 1300 Wahllokale seien wie geplant geöffnet worden, teilte die Regionalregierung mit. Vor vielen Stimmlokalen bildeten sich lange Warteschlangen.
Mehr als 40’000 freiwillige Helferinnen und Helfer hatten Urnen aufgestellt und nahmen die Stimmzettel entgegen. Das Resultat wurde am Montag erwartet.
Madrid wirft Barcelona Knüppel zwischen die Beine
Die Volksbefragung hätte aber eigentlich nicht durchgeführt werden dürfen: Das spanische Verfassungsgericht hatte eine Klage der Landesregierung angenommen und somit den Urnengang bis zu einem Urteil unterbunden. Madrid tolerierte die Befragung zuletzt unter der Bedingung, dass die Regionalregierung sich nicht an der Organisation beteilige.
Prospanische Gruppierungen stellten in einzelnen Orten bei der Justiz den Antrag, die illegale Befragung zu stoppen und die Urnen sicherzustellen. Die zuständigen Richter lehnten die Anträge mit der Begründung ab, dass dies unverhältnismässig wäre.
Die Polizei teilte mit, sie habe fünf Menschen vorübergehend festgenommen, die in ein Wahllokal im nördlichen Bezirk Girona eingedrungen waren, Wähler beschimpft und Wahlurnen zerstört hatten. Weitere Zwischenfälle wurden nicht gemeldet.
Die Staatsanwaltschaft in Katalonien leitete zudem auf Geheiss des Madrider Generalstaatsanwalts Ermittlungen ein, ob das Öffnen von Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen für die Stimmabgabe einen Verstoss gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts darstellte.
Gradmesser für Autonomiebewegung
Das Referendum war rechtlich nicht bindend. Es galt aber als Gradmesser für die Stärke der Unabhängigkeitsbewegung und könnte die Position der katalanischen Regierung bei Autonomieverhandlungen stärken.
Regionalpräsident Artur Mas sagte nach der Stimmabgabe in Barcelona, sein Ziel sei eine verbindlichen Volksbefragung über die katalanische Unabhängigkeit. «Wir verdienen das Recht, in einem rechtskräftigen Referendum abzustimmen, und das ist etwas, was vielleicht in Madrid verstanden wird», sagte Mas vor Journalisten. Sollte dies nicht der Fall sein, werde seine Region den Prozess dennoch weiter vorantreiben.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy betonte jedoch zuletzt immer wieder, die Befragung werde keinerlei Auswirkungen haben. «Solange ich Regierungschef bin, wird die Verfassung eingehalten», bekräftigte er. «Niemand wird die Einheit Spaniens zerbrechen.»
Katalonien – mit seinen 7,5 Millionen Einwohnern – verfügt über eine eigene Sprache und Kultur sowie über weitreichende Autonomierechte. Unter der Franco-Diktatur (1939-1975) war der Gebrauch des Katalanischen in der Öffentlichkeit unterdrückt worden. Jetzt ist die Sprache ebenso wie das Spanische Amtssprache in Katalonien.