Runder Tisch fordert rasche Hilfe für Opfer von Zwangsmassnahmen

Opfer von Zwangsmassnahmen sollen nicht nur Soforthilfe, sondern weitere finanzielle Leistungen erhalten. Das schlägt der Runde Tisch vor. Er fordert von der Politik rasches Handeln. Für ihn ist klar, dass Staat und Gesellschaft in der Schuld der Opfer stehen.

Sommaruga während dem Runden Tisch für die Opfer am Dienstag (Bild: sda)

Opfer von Zwangsmassnahmen sollen nicht nur Soforthilfe, sondern weitere finanzielle Leistungen erhalten. Das schlägt der Runde Tisch vor. Er fordert von der Politik rasches Handeln. Für ihn ist klar, dass Staat und Gesellschaft in der Schuld der Opfer stehen.

Es ist eines der düsteren Kapitel der Schweizer Geschichte: Bis 1981 war es möglich, Menschen auch ohne Gerichtsurteil oder psychiatrisches Gutachten wegzusperren, sei es wegen «Arbeitsscheu», «lasterhaften Lebenswandels» oder «Liederlichkeit». Betroffen waren vor allem junge Menschen.

Bundesrätin Sommaruga hatte sich Anfang 2013 im Namen der Landesregierung für die Praxis entschuldigt und den Runden Tisch eingesetzt. Er ist aus Betroffenen und Vertretern der involvierten Behörden, Organisationen und Institutionen zusammengesetzt und soll bei der Aufarbeitung der Vergangenheit eine zentrale Funktion einnehmen.

Finanzielle Leistungen unerlässlich

Nach einem Jahr hat der Runde Tisch nun ein Bündel an Massnahmen vorgeschlagen, die er am Dienstag den Medien vorstellte. Als ersten unerlässlichen Schritt erachtet der Runde Tisch die öffentliche Anerkennung des Unrechts. Diese sei Voraussetzung für weitere Massnahmen, heisst es in einer Mitteilung.

Zu den zentralen Forderungen des Runden Tisches gehören dabei die finanziellen Leistungen. Sie seien unabdingbar, da viele der 10’000 bis 15’000 Opfer in finanzieller Hinsicht schwere Nachteile erlitten, die sich auf ihr ganzes Leben auswirken.

Konkret schlägt der Runde Tisch eine Kombination zwischen einem einmaligen Solidaritätsbeitrag und monatlichen Beiträgen vor, die mit der AHV-Rente ausbezahlt werden sollen.

Die einmalige Zahlung soll durch einen staatlichen Solidaritätsfonds finanziert werden. Dieser ist unabhängig vom Soforthilfefonds, der Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen in einer finanziellen Notlage offen steht.

Anders als der Bauernverband will der Runde Tisch grundsätzlich alle Betroffenen bei der finanziellen Regelung einschliessen und nicht nur diejenigen, die sich finanziell in schwierigen Verhältnissen befinden.

Rasche Umsetzung gefragt

Die zahlreichen Vorschläge des Runden Tisches sind von unterschiedlicher Art und Tragweite. Neben der finanziellen Leistungen betreffen sie etwa die Anerkennung des Unrechts, die Beratung und Betreuung der Opfer, die Aktensicherung und -einsicht oder die wissenschaftliche Aufarbeitung in Form eines nationalen Forschungsprogramms.

Um diese Massnahmen umzusetzen, brauche es – besonders bei den finanziellen Leistungen – allerdings gesetzliche Grundlagen, schreibt der Runde Tisch. Er fordert daher von der Politik und den Behörden, möglichst rasch die notwendigen Entscheidungen einzuleiten. Aus diesem Grund soll der Runde Tisch vorerst auch weitergeführt werden.

Bundesrat am Zug

Justizministerin Simonetta Sommaruga dankte am Dienstag allen Beteiligten bei ihrem Besuch des Runden Tischs. «Betroffene, Behörden und andere Interessenvertreter haben erstmals nicht nur übereinander, sondern miteinander gesprochen. Das verlangt von allen Beteiligten viel Kraft und verdient grössten Respekt», wird Sommaruga in der Mitteilung des Runden Tisches zitiert.

Sie werde sich weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die weitere Aufarbeitung der früheren Missstände mit dem gleichen Elan fortgeführt werde, so die Bundesrätin. Als nächstes wird Sommaruga den Bericht des Runden Tisches genau prüfen und dem Bundesrat möglichst bald einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreiten.

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