Die russische Delegation an den Olympischen Spielen in Rio wird trotz Ausschlüssen im Zuge des Doping-Skandals eine stattliche Grösse haben. Teilnehmen werden 271 Athleten.
Der Zeitdruck war immens. In den Büros wälzten Richter, Kommissäre und Funktionäre die Akten. Einen Tag vor dem Beginn der Spiele sorgte der Tauglichkeits-Check für russische Sportler beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für hektische Betriebsamkeit.
Nach der weltweiten Kritik wegen des vermuteten, vom Staat gelenkten Doping-Systems in Russland dürfte in Russland und vor allem in der (politischen) Schaltzentrale in Moskau Zufriedenheit eingekehrt sein. Ein immer noch stattliches Team von 271 russischen Athleten wird in den kommenden 16 Tagen um olympische Medaillen kämpfen.
Russische Athleten in den Sportarten Boxen, Judo, Schiessen, Tennis, Handball und Volleyball erhielten als erste die Starterlaubnis. Auch die beiden Wackelkandidaten im Schwimmen, Wladimir Morosow und Nikita Lobinzew, wurden von der unabhängigen IOC-Kommission um Athletensprecherin Claudia Bokel aus Deutschland durchgewunken. Der Schwimm-Weltverband FINA hatte beide Athleten zunächst für Rio gesperrt. Nachdem allerdings der CAS den Entscheid am Mittwoch revidiert hatte, gab auch das Dreier-Gremium des IOC grünes Licht.
Die frühere Fechterin Bokel sowie ihre Mitstreiter Ugur Erdener aus der Türkei als Chef der medizinischen Kommission und Juan Antonio Samaranch junior aus Spanien hatten eine wahre Herkules-Arbeit zu bewältigen, mussten sie doch bis Freitag bei allen russischen Athleten eine Einzelfallprüfung durchführen.
Bei den kniffligen Fällen waren die CAS-Richter gefragt. Wie etwa im Fall der Schwimmerin Julia Jefimowa, dem wohl brisantesten Fall beim Prüf-Marathon. Die Russin ist als frühere Dopingsünderin für Rio gesperrt. Diese Massnahme hatte das IOC für alle vorbelasteten russischen Sportler beschlossen und damit entgegen dem Reglement entschieden. Jefimowa hatte sich damit aber nicht abgefunden und den CAS angerufen. Schliesslich hatte der Sportgerichtshof schon 2011 die Osaka-Regel gekippt, nach der Sportler nach einem Dopingvergehen an den folgenden Spielen nicht teilnehmen durften. Wie schwer sich die Juristen taten, zeigte, dass ein Urteil in dem Fall immer wieder verschoben wurde.
Einfacher war es in anderen Sportarten. Dass alle elf russischen Judoka teilnehmen werden, dürfte Russlands Präsidenten Wladimir Putin besonders freuen. Schon der Judo-Weltverband (IJF) hatte den Athleten grünes Licht gegeben, was nicht wirklich überraschte. IJF-Präsident Marius Vizer unterhält beste Kontakte zum russischen Staatschef, der früher selber auf der Matte stand und Ehrenpräsident des Weltverbandes ist.
Im Boxen sind elf, im Schiessen 21 und im Tennis acht russische Sportler dabei. Auch das 17-köpfige Frauen-Handball-Team wurde komplett zugelassen, ebenso die Equipen im Volleyball und im Beachvolleyball. Zugelassen sind auch alle fünf qualifizierten russischen Reiter, zwei in der Dressur und drei im Concours Complet.
Auch Golferin Maria Wertschenowa darf beim Olympia-Comeback ihrer Sportart nach 112 Jahren mitwirken. Selbst der russische Kanufahrer Andrej Krajtor wurde zugelassen, was das russische NOK sogar vor Probleme stellte. Nach der Sperre durch den Kanu-Weltverband war bereits Ersatzmann Iwan Schtyl nominiert worden. Dieser soll auch starten.
Bestätigt wurde auch Weitspringerin Darja Klischina, die vom Weltverband als einzige Leichtathletin dem Komplett-Ausschluss entkam. Klischina lebt in Florida und konnte so nachweisen, dass sie hinreichend kontrolliert worden war.