Ein russischer Ökonom hat sich offenbar wegen auf ihn ausgeübten Drucks im Zusammenhang mit Äusserungen zum inhaftierten Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski nach Frankreich abgesetzt.
Wie Menschenrechtsaktivisten und russische Medien am Donnerstag berichteten, hält sich Sergej Gurijew, ultraliberaler Rektor der sogenannten Neuen Wirtschaftsschule, in Paris auf.
Gurijew war einer von mehreren Experten, die der Menschenrechtsrat beim Kreml im Jahr 2011 mit der Überprüfung des zweiten Urteils gegen den seit dem Jahr 2003 inhaftierten Chodorkowski betraut hatte. Er kam wie die meisten anderen Fachleute zu dem Schluss, dass Chodorkowskis Verurteilung wegen Veruntreuung und Geldwäsche aus dem Jahr 2010 mangels Beweisen nicht rechtens gewesen sei.
In seiner im Februar 2012 in der Wochenpublikation «New Times» veröffentlichten Stellungnahme hiess es, die Chodorkowski zur Last gelegten Taten seien «unter Bedingungen der Marktwirtschaft normale Praxis bei der Unternehmensführung». Gurijews Anwalt Russlan Kodschura sagte der Nachrichtenagentur AFP, Ermittler hätten seinen Mandanten vor etwas mehr als einem Monat befragt.
Laut Tamara Morschtschakowa, Mitglied des Menschenrechtsrats beim Kreml, vermuten die Ermittler, dass die Arbeit der Experten mit Geld aus dem Ausland finanziert worden sei. In den vergangenen Monaten seien einige der Fachleute Druck der Ermittler ausgesetzt gewesen. In mehreren Fällen habe es Hausdurchsuchungen gegeben.
Gurijew sagte der Nachrichtenagentur AFP, er befinde sich in Frankreich in den Ferien. Geld von Chodorkowski oder dessen Partnern habe er nie erhalten.
Freilassung vielleicht bereits 2014
Chodorkowski, der frühere Chef des russischen Ölkonzerns Yukos, und sein Geschäftspartner Platon Lebedew waren im Jahr 2003 festgenommen worden. In einem ersten Prozess wurden die beiden wegen Steuerhinterziehung und Betrugs zu einer Haftstrafe von jeweils acht Jahren verurteilt.
In einem umstrittenen zweiten Prozess im Dezember 2010 wurden sie wegen Unterschlagung und Geldwäsche erneut verurteilt und sollten ursprünglich bis zum Jahr 2016 in Haft bleiben. Später wurden die Gefängnisstrafen rückwirkend um zwei Jahre verringert, so dass Chodorkowski und Lebedew im kommenden Jahr freikommen könnten.