Im Streit über gegenseitige Strafmassnahmen sieht Russland die Europäischen Union am Zug. «Jetzt liegt der Ball auf der Seite Brüssels», sagte Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew. Er appellierte mit Nachdruck an die EU, mit der Sanktionspolitik Schluss zu machen.
«Man kann nicht endlos den Einsatz hochtreiben, um die Stärke des anderen zu testen – dann werden beide Seiten verlieren», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die russische Wirtschaft spüre die Folgen der Strafmassnahmen, räumte Uljukajew ein.
«Das grösste Hindernis ist die Importeinschränkung hochtechnologischer Ausrüstungsgegenstände aus Deutschland.» Aber auch westliche Unternehmen litten. «Ich hoffe, dass sich letztlich der gesunde Menschenverstand durchsetzt», betonte der Minister.
Uljukajew wird am Freitag in Berlin zu einer Konferenz der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) erwartet. Es gehe darum, unter den derzeitigen Bedingungen neue Wachstumsmöglichkeiten zu finden. «Aber die Sanktionen waren nicht unsere Wahl. Und wir planen nicht, irgendwelche neuen Barrieren zu errichten», sagte Uljukajew.
Die EU hatte die Wirtschafts- und Finanzsanktionen wegen der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und Moskaus Unterstützung prorussischer Separatisten in der Ostukraine verhängt. Moskau reagierte mit einem Verbot etwa für westliche Lebensmittel.
Kritik aus den Reihen der EU
Unlängst hatte der ungarische Regierungschef Viktor Orban sich demonstrativ von der EU-Sanktionspolitik distanziert. Bei der nächsten, Mitte des Jahres anstehenden Verlängerung der EU-Sanktionen gebe es «keinen Automatismus» mehr, hatte Orban bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau am Mittwoch betont. Die EU könne sich den «Luxus» nicht leisten, auf gute Wirtschaftsbeziehungen mit Russland zu verzichten.
Zuvor hatte schon der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in Moskau für eine Aufhebung der Strafmassnahmen geworben. Im Anschluss an Seehofers Treffen mit Putin sei eine russisch-bayerische Arbeitsgruppe zur handelswirtschaftlichen Kooperation vereinbart worden, sagte Uljukajew.
Zur Weiterentwicklung beigetragen
Der Minister betonte, die Sanktionen hätten zur Weiterentwicklung der russischen Wirtschaft beigetragen. «Sie haben uns dazu gebracht, effizienter und schneller auf wirtschaftliche Herausforderungen zu reagieren sowie Massnahmen zum Importersatz und zur Erhöhung unserer Ernährungssicherheit zu treffen.» Trotz der Sanktionen und des extremen Preisverfalls bei Öl, von dem die Rohstoffmacht hochgradig abhängig ist, habe die russische Handelsbilanz 2015 deutlich im Plus gelegen. Das sei ein «Zeichen für Stabilität, Verlässlichkeit und grosse Reserven unserer Wirtschaft», sagte Uljukajew.
Die russische Wirtschaft steckt in einer tiefen Rezession mit zweistelligen Inflationsraten. Die Landeswährung Rubel ist zum US-Dollar und zum Euro deutlich abgerutscht.