Gut ein Jahr nach dem NATO-Beschluss für ein gemeinsames Raketenabwehrsystem mit Russland steht das Vorhaben auf der Kippe. Moskau will sich ohne rechtsverbindliche Garantie, dass der Raketenschild niemals gegen Russland gerichtet wird, nicht auf das Projekt einlassen.
„Wir brauchen ein rechtlich bindendes Arrangement, denn gute Absichten kommen und gehen – aber militärische Fähigkeiten bleiben“, sagte Aussenminister Sergej Lawrow am Donnerstag nach dem Treffen mit seinen Kollegen aus den NATO-Ländern in Brüssel. Die Zeit für eine Einigung laufe ab.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und US-Aussenministerin Hillary Clinton räumten die tiefgreifenden Differenzen ein. Tags zuvor hatte Rasmussen scharf auf den Plan Russlands reagiert, in Kaliningrad Flugabwehrraketen aufzubauen.
Der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle appellierte sowohl an die NATO-Partner als auch an Russland, die Tür zu der wichtigen Sicherheitskooperation nicht zuzuschlagen. Aus dem Schlagabtausch der Worte dürften keine Fehlentscheidungen werden. „Es wird in Europa keine Sicherheit gegen, sondern nur mit Russland geben“, sagte er.
Projekt mit „Geburtsfehler“
Die NATO-Staaten hatten bei ihrem Gipfel in Lissabon vor gut einem Jahr Russland zu dem gemeinsamen Projekt eingeladen, das Europa vor Raketenangriffen aus Nahost schützen soll.
Die NATO hatte das ursprünglich unter der Regierung von George W. Bush von den USA allein geplante Projekt übernommen. Unter Präsident Barack Obama war das Bündnis auf Russland zugegangen. Doch der „Geburtsfehler“ des zunächst ohne Russland angestrebte Vorhaben sorgt Westerwelle zufolge noch immer für Misstrauen bei der Führung in Moskau.
Der Raketenschild soll aus see- und landgestützten Abwehrraketen im Mittelmeer beziehungsweise in Osteuropa sowie aus Radaranlagen bestehen und Kurz- sowie Mittelstreckenraketen abwehren – etwa aus dem Iran.
Bei dem Streit geht es auch um die Struktur des Systems und das Kommando darüber. Während die NATO zwei getrennte Systeme miteinander vernetzen will, dringt Russland auf ein gemeinsames Abwehrsystem.