Trotz der russischen Ankündigung eines Truppenrückzugs an der ukrainischen Grenze verhärten sich die Fronten zwischen dem Westen und der Regierung in Moskau. Russland drohte am Dienstag mit Gegenmassnahmen, nachdem die EU neue Sanktionen verhängt hatte.
Zugleich warf das Aussenministerium der EU vor, unter der Fuchtel der USA zu stehen. Mit den neuen Sanktionen zeichnet sich auch keine rasche Freilassung der festgehaltenen Militärbeobachter ab.
«Wir kehren erst zu einem Dialog über den Status der Kriegsgefangenen zurück, wenn die EU diese Zwangsmassnahmen zurücknimmt», sagte der selbst ernannte Bürgermeister der Stadt Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, der Agentur Interfax.
In der ostukrainischen Grossstadt Lugansk stürmten prorussische Aktivisten am Dienstag die Gebietsverwaltung. Maskierte in Tarnkleidung brachen während einer Demonstration mit mehr als 2000 Teilnehmern die Türen auf und warfen Fenster ein, wie örtliche Medien berichteten. Dabei soll ein Mensch verletzt worden sein.
Mitglieder der Sicherheitskräfte hätten sich den Demonstranten angeschlossen, hiess es. In der Stadt mit rund 430’000 Einwohnern nahe der russischen Grenze halten Separatisten bereits seit Wochen ein Gebäude des Geheimdienstes SBU besetzt. Dabei erbeuteten die Aktivisten ein grosses Waffenarsenal.
Dialog als einzige Lösung
Die EU hatte zuvor neue Sanktionen verhängt. Sie beschloss Kontensperrungen und Reisebeschränkungen gegen 15 Personen, darunter der stellvertretende Ministerpräsident und der Generalstabschef Russlands sowie mehrere Anführer prorussischer Separatisten-Gruppen in der Ostukraine.
Anders als die USA nahm die EU aber keine russischen Geschäftsleute ins Visier. Die USA hatten am Montag unter anderem Rosneft -Chef Igor Setschin auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Russland kritisierte die Sanktionen trotzdem scharf.
In einer Erklärung des Ministeriums hiess es, statt die «Clique in Kiew» dazu zu bringen, sich mit ihren Widersachern in der südöstlichen Ukraine an einen Tisch zu setzen, um über die künftige Struktur des Landes zu verhandeln, folgten die Europäer «dem Gebot Washingtons mit neuen, gegen Russland gerichteten Gesten».
Dies zeige, dass Brüssel die politische Situation in der Ukraine nicht verstehe. Es sei eine «direkte Einladung an die lokalen Neonazis, mit Gesetzlosigkeit und Repressalien gegen die friedliche Bevölkerung im Südosten weiterzumachen».
Der einzige Weg zur Lösung der Krise in der Ukraine sei ein «nationaler Dialog», der die Auffassung aller Regionen berücksichtige, sagte Aussenminister Sergej Lawrow.
NATO bestätigt Truppenabzug nicht
Signale, die ein Einlenken Russlands in der Ukraine-Krise bedeuten könnten, erwiesen sich möglicherweise als verfrüht. Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte nach russischer Darstellung in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen Chuck Hagel, dass die russischen Truppen entlang der Grenze zur Ukraine in die Kasernen zurückbeordert worden seien.
Grund dafür sei, dass ukrainischen Behörden versichert hätten, nicht gegen unbewaffnete Zivilisten vorzugehen. Der NATO lagen nach eigenen Angaben jedoch keine Hinweise vor, die derartige Truppenbewegungen belegten. Das Bündnis bleibe bei seiner Forderung an Russland, seine Truppen «zugunsten von Diplomatie und Dialog» abzuziehen, sagte ein NATO-Vertreter in Brüssel.
Nach NATO-Schätzungen hatte Russland etwa 40’000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen. Die Regierung in Kiew fürchtet einen Einmarsch mit dem Ziel, den Osten ähnlich wie jüngst die Halbinsel Krim in die Russische Föderation einzugliedern.
Dies sei jedoch nicht Russlands Absicht, zitierte Interfax den Vize-Aussenminister Sergej Ribakow. «Wir sind – und ich unterstreiche dies – keinesfalls geneigt, das sogenannte Krim-Szenario in der südöstlichen Ukraine zu wiederholen.»