Nach Monaten des Stillstands zeichnet sich im UNO-Sicherheitsrat eine neue Möglichkeit für eine Verurteilung der Gewalt in Syrien ab. Russland berief am Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Gremiums in New York ein und legte überraschend einen Resolutionsentwurf vor.
Der Text verurteilt die Gewalt „aller Beteiligten“ und wirft ausdrücklich den syrischen Behörden einen „unverhältnismässigen Einsatz von Gewalt“ vor. Anfang Oktober hatten Russland und China mit ihren Vetos eine Resolution zur Verurteilung Syriens verhindert.
Europäische Vertreter im Sicherheitsrat – allen voran Deutschland und Frankreich – begrüssten den Entwurf als Verhandlungsgrundlage, hatten jedoch Vorbehalte. Der deutsche UNO-Botschafter Peter Wittig erklärte, der russische Entwurf sei nicht ausreichend.
Allerdings gebe es nun die Möglichkeit, das „unerträgliche Schweigen“ des Sicherheitsrats zu Syrien zu brechen. Sein französischer Kollege Gérard Araud nannte den russischen Vorstoss ein „aussergewöhnliches Ereignis“. Der Entwurf sei aber „unausgewogen“ und müsse stark überarbeitet werden.
Aus Diplomatenkreisen verlautete, dass sich die westlichen Mitglieder des Sicherheitsrats dagegen sträuben würden, die Gewalt von Regierungsgegnern auf die gleiche Stufe zu stellen wie das brutale Vorgehen der syrischen Führung.
Ausserdem stört sich der Westen demnach an einer Passage des russischen Entwurfs, in der Bedenken über angebliche Waffenlieferungen an Aufständische in Syrien geäussert werden. Dafür gebe es keine Beweise, hiess es.
Klare Schiessbefehle
Menschenrechtsaktivisten weisen derweil auf immer mehr Verbrechen durch die syrische Führung hin. Soldaten erhielten nach Angaben der Organisation Human Rights Watch (HRW) eindeutige Schiessbefehle zur Niederschlagung von Protesten.
Soldaten seien angewiesen worden, Demonstrationen „mit allen Mitteln zu beenden“, heisst es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Syrische Kommandanten hätten befohlen, sowohl auf Demonstranten als auch auf Passanten zu schiessen. Der Bericht beruht auf Interviews mit mehr als 60 desertieren Soldaten.