Wenige Tage vor der Präsidentenwahl in der Ukraine sendet Russland Entspannungssignale. Präsident Wladimir Putin ordnete am Montag einen Truppenabzug von der ukrainischen Grenze an. Die NATO erklärte jedoch kurz darauf, für einen Rückzug gebe es «keinerlei Beweise».
«Das ist die dritte Erklärung Putins, aber wir haben noch immer keinen Rückzug gesehen», sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Montag in Brüssel. Derzeit gebe es nach wie vor eine sehr starke russische Truppenpräsenz im Grenzgebiet, sagte ein Sprecher des Bündnisses. Die NATO hat die Zahl russischer Soldaten in der Region bisher auf 35’000 bis 40’000 beziffert.
Auch die USA reagierten zurückhaltend auf die russische Ankündigung. Moskau müsse dafür erst noch «handfeste Beweise» vorlegen, hiess es aus Regierungskreisen in Washington. «Wir haben von der russischen Führung in der Vergangenheit bereits gehört, dass sie die Truppen abziehen, und dann haben sie es nicht gemacht.»
Ende der «Frühjahrsmanöver» angekündigt
Aus Moskau hiess es, Putin habe seinen Verteidigungsminister angewiesen, die an den Frühjahrsmanövern beteiligten Truppenverbände in ihre «ständigen Stützpunkte» zurückzubeordern. Dies teilte der Kreml in einer Erklärung den russischen Nachrichtenagenturen mit. Die Anweisung bezog sich auf Truppenverbände in den Regionen Rostow, Belgorod und Briansk.
Ein US-Regierungsvertreter wies die Darstellung zurück, dass es sich bei der Verlegung russischer Einheiten um «Manöver» gehandelt habe. Vielmehr sei die Stationierung an der Grenze eine «Drohgebärde» gewesen, sagte der US-Vertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte.
NATO: «Völlig neue Sicherheitslage»
In die gleiche Richtung argumentierte NATO-Generalsekretär Rasmussen. «Was wir in der Ukraine gesehen haben, ist unglaublich», sagte er. Die NATO müsse auf eine völlig neue Sicherheitslage in Europa reagieren.
Entscheidungen sollen Anfang September beim NATO-Gipfel in Wales fallen. Die Staats- und Regierungschefs der 28 Allianz-Mitglieder sollten dann einen Plan für «mehr Alarmbereitschaft und Reaktionsfähigkeit» annehmen, der die «dramatisch veränderte Sicherheitslage in Europa» berücksichtige.
Rasmussen verwies auf die Sorgen der östlichen NATO-Mitglieder und forderte die Allianz-Mitglieder auf, den Trend sinkender Verteidigungsausgaben zu stoppen.
Separatisten lehnen Präsidentenwahl ab
Die prorussischen Kräfte in der Ostukraine treiben ihre Abspaltung von Kiew derweil weiter voran. Die Ergebnisse der Präsidentenwahl am 25. Mai würden von den «Volksrepubliken» Donezk und Lugansk nicht anerkannt, sagte der selbsternannte «Gouverneur» Pawel Gubarew im russischen Staatsfernsehen. Ziel sei die Gründung eines Staates unter dem Namen Noworossija (Neurussland).
Innenminister Arsen Awakow räumte in Kiew ein, dass in weiten Teilen von Donezk und Lugansk keine Abstimmung möglich sei. Die Wahl werde aber «in jedem Fall» durchgeführt.
Der deutsche Diplomat Ischinger, der für die Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa (OSZE) die Gespräche in der Ukraine zur Beilegung der Krise leitet, sagte dem Deutschlandfunk, in einigen Städten im Osten müsse mit einem nicht ordnungsgemässen Verlauf der Wahl gerechnet werden – in einer «Grössenordnung von wahrscheinlich weniger als zehn Prozent des Landes».
«Legitimer» Präsident
Der ukrainische Interimsregierungschef Arseni Jazenjuk sagte, sein Land werde nach der Wahl am Sonntag einen «legitimen» Präsidenten haben. Auch wenn es in «einigen Bezirken» schwer fallen dürfte, die Abstimmung zu organisieren, so werde das auf die Wahl insgesamt «keinen Einfluss» haben, fügte Jazenjuk hinzu.
Die Wahl in der Ukraine wird von rund tausend Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verfolgt.