Knapp sechs Wochen vor Fussball Europameisterschaft wächst der Druck auf das autoritäre Regime in der Ukraine. Neben dem Westen kritisiert auch Russland die Inhaftierung der ehemaligen Kiewer Regierungschefin Julia Timoschenko.
Kremlchef Dmitri Medwedew nannte den Umgang des Nachbarlands mit Timoschenko „völlig inakzeptabel“. Harte Bandagen seien in der politischen Auseinandersetzung normal, das rechtfertige aber nicht die Inhaftierung direkter Rivalen nach einem politischen Prozess, zitierte die Agentur Interfax Medwedew am Sonntag.
Die Rivalin von Präsident Viktor Janukowitsch befindet sich nach eigenen Angaben seit einer Woche im Hungerstreik. ist. Der russische Staatschef nannte die Situation in der Ukraine „höchst befremdlich“.
Russland hatte bereits mehrfach massive Kritik am Prozess gegen Timoschenko geäussert, die wegen angeblich ungünstiger bilateraler Gasverträge zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war. Moskau sieht den Fall als Druckmittel Führung in Kiew, neue Gasverträge mit günstigeren Preisen auszuhandeln. Ein möglicher Boykott von EM-Spielen ist in Russland aber kein Thema.
Merkel erwägt EM-Boykott
Anders in Deutschland: Bundeskanzlerin Angela Merkel erwägt einen politischen Boykott der Fussball-EM, die die Ukraine gemeinsam mit Polen ausrichtet.
Sollte die in Haft erkrankte Politikerin bis zu dem in knapp sechs Wochen beginnenden Turnier nicht freigelassen worden sein, will Merkel nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ ihren Ministern empfehlen, den Spielen in der Ukraine fernzubleiben. Das Bundespresseamt wollte sich zu dem „Spiegel“-Bericht nicht äussern.
Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Freitag die Frage, ob Merkel zur Fussball-EM in die Ukraine reisen werde, offen gelassen. Bei der Entscheidung werde die weitere Entwicklung im Fall der Anführerin der gegen Janukowitsch gerichteten Orangenen Revolution von 2004 berücksichtigt.
Schwere Vorwürfe
Timoschenko klagt seit längerem über starke Rückenschmerzen. Sie wirft dem Staat Foltermethoden in Haft vor, weil sie nicht ordnungsgemäss behandelt werde. Jüngste Fotos zeigen die 51-Jährige mit Prellungen, die ihr Wachbeamte bei einem erzwungenen Transport in eine Klinik vor einer Woche zugefügt haben sollen.
Die Strafvollzugsbehörde in Charkow wies die Vorwürfe erneut zurück. Timoschenko beklage sich bereits seit August immer wieder über Blutergüsse, sagte ein Justizsprecher.