Dichtung und Wahrheit, Literatur und Kitsch – mit Gedanken über diese Themen hat am Mittwochabend die Schriftstellerin Ruth Klüger den Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis eröffnet. Klüger, die heute in Kalifornien und in Göttingen wohnt, stellt ihre Rede unter den Titel „Der haltbare Satz im Bimbam der Worte“.
Die Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin, die 1931 in Wien geboren wurde und Konzentrationslager der Nationalsozialisten überlebte, bevor sie in die USA emigrieren konnte, plädierte für eine Dichtung, die eine Vision verfolge und über die Realität hinaus reiche.
Dichtung bestehe auf einem Wahrheitsanspruch, der nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen müsse, „und sucht Vision“, sagte Klüger. „Zweck der Literaturtage ist es ja wohl, das Bimbam mit dem haltbaren Satz zu widerlegen. Die Dichtung mag ein Labyrinth von Irrwegen sein, die jedoch immer noch einen Ausweg, den Weg zur Wahrheit, in Aussicht stellen.“
Unveröffentlichte Texte
Von Donnerstag bis Samstag lesen 14 Kandidaten, darunter vier aus der Schweiz, vor einer siebenköpfigen Jury und Publikum aus unveröffentlichten Texten. Die Aargauerin Mirjam Richner ist mit Jahrgang 1988 das Küken im Wettbewerb.
Die übrigen drei Anwärter aus der Schweiz haben bereits ein Buch veröffentlicht: Von Hugo Ramnek erschien 2010 „Der letzte Badegast“, von Simon Froehling im selben Jahr der Roman „Lange Nächte Tag“ und von Matthias Nawrat eben erst „Wir zwei allein“.
Preisvergabe am Sonntag
Ein Trend, der sich an den Klagenfurter Tagen der deutschsprachigen Literatur (TDDL) – wie anderswo auch – mit jedem Jahr ausgeprägter zeigt, ist die Verwischung der Nationenzugehörigkeit. Froehling ist australisch-schweizerischer Doppelbürger, Nawrat gebürtiger Pole. Ramnek lebt seit Jahrzehnten in Zürich, stammt aber aus Klagenfurt.
Die Juroren debattieren nach den Lesungen über die Beiträge und bestimmen am Sonntag in öffentlicher Abstimmung die Preisträger. Es geht um fünf Preise in der Gesamtsumme von 54’500 Euro.