Die säkulare Nationale Front in Ägypten hat die Ernennung von Hescham Kandil zum Ministerpräsidenten heftig kritisiert. Sie warf am Samstag Präsident Mohammed Mursi Wortbruch vor.
Der islamistische Staatschef habe die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit zugesagt, nun aber ohne Rücksprache mit anderen politischen Gruppen einen weitgehend unbekannten Technokraten zum Ministerpräsidenten gemacht, sagten Mitglieder der Nationalen Front auf einer Medienkonferenz.
Die Vertreter der Bewegung erinnerten Mursi daran, dass sie ihn bei der Stichwahl gegen Ahmed Schafik unterstützt hatten. Sein Vorgehen lasse Transparenz und Klarheit vermissen, erklärte die Nationale Front. Ihr gehören demokratische, säkulare und gemässigt islamistische Gruppen an.
Misstrauen verschärft
Bei einem Treffen mit der Front im Juni hatte Mursi erklärt, er werde einen unabhängigen, nationalistischen Politiker als Ministerpräsidenten ernennen.
Diese Kriterien seien nicht erfüllt worden, „und das ist der erste Indikator für den Weg, den wir nehmen“, sagte die Politikprofessorin Heba Rauf, eine gemässigte Islamistin. Gespräche über die neue Regierung seien „hinter verschlossenen Türen“ geführt worden.
Mursi ernannte Kandil erst einen Monat nach seinem Amtsantritt als erster gewählter ziviler Staatspräsident Ägyptens. Dies deutet nach Ansicht mancher Beobachter auf ein Zögern Mursis und seiner Muslimbruderschaft hin, auf starke Persönlichkeiten zuzugehen, über die Konsens herrsche.
Neues Kabinett aus Technokraten
Kandil kündigte am Samstag die Vorstellung seines Kabinetts für kommenden Donnerstag an, wie die amtliche Nachrichtenagentur MENA berichtete.
In der bisherigen, vom Militärrat ernannten Übergangsregierung bekleidete der parteilose Politiker das Amt des Ministers für die Wasserversorgung. Er kündigte an, ein Kabinett aus Technokraten zusammenzustellen, die allein aufgrund ihrer Kompetenz ausgewählt würden.
Wirtschaftskrise bekämpfen
Mit der Experten-Regierung wollen Mursi und Kandil die Wirtschaftskrise des Landes bekämpfen. Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak im Februar 2011 sind die Auslandsinvestitionen stark zurückgegangen, das Geschäft mit dem Tourismus brach ein. Die Devisenreserven des Landes schrumpfen, während das Haushaltsdefizit wächst.
Auch bei der neuen Regierung wird allerdings der Oberste Militärrat mitreden, der nach Mubaraks Rücktritt die Macht übernahm: Unter anderem bestimmt er den neuen Verteidigungsminister.