Salto mortale oder Amour fou

Turbulente Zeiten im Theater St. Gallen: Katharina Knie schwankt zwischen Salto mortale und Amour fou – glitzernder Zirkuswelt und beschaulichem Landleben. Premiere feiert das tollkühne Seiltänzerstück am Freitag.

Szene aus dem Zirkusstück «Katharina Knie» von Carl Zuckmayer am Theater St. Gallen (Bild: Tine Edel, Theater St. Gallen) (Bild: sda)

Turbulente Zeiten im Theater St. Gallen: Katharina Knie schwankt zwischen Salto mortale und Amour fou – glitzernder Zirkuswelt und beschaulichem Landleben. Premiere feiert das tollkühne Seiltänzerstück am Freitag.

Mit Kunststücken und Musik und in bester Laune empfangen die Gaukler die Besucherinnen und Besucher vor dem Theater St. Gallen. Johlend und lachend lockt die Truppe die Gäste hinein in eine kunterbunte Zirkus-Theater-Welt.

In der Manege vor dem Halbrund der Wohnwagen aus den 70-er Jahren herrscht jedoch Katerstimmung. Der Wanderzirkus Knie ist am Ende. Statt in der Vorstellung sitzen die Leute lieber zu Hause vor dem Fernseher. Der Gerichtsvollzieher steht vor der Wohnwagentür.

Doch einer aus der Knie-Dynastie gibt nicht so schnell auf: «Glauben die, sie können mit uns machen, was sie wollen, nur weil wir Fahrende sind?», fragt Zirkusvater Karl Knie (Andrea Zogg).

Katharina stiehlt Hafer und Herz

Er spornt seine liebenswerte Truppe an, trotz leerem Magen für die nächste Vorstellung zu proben. Nur seine Tochter Katharina Knie (Wendy Michelle Güntensperger) schert aus. Das Mädchen kann nicht länger mitansehen, wie der Esel hungert, und stiehlt dem Bauern Rothacker (Luzian Hirzel) zuerst einen Sack Hafer und dann das Herz.

Nun wird es turbulent. Das einzige Kind des verwitweten Zirkusdirektors ist zwischen der glitzernden Zirkuswelt und einem beschaulichem Leben auf dem Land hin und her gerissen.

Tollkühn und atemberaubend

Die Verbindung zwischen Theater- und Zirkuswelt gelingt mühelos. Das Theater St. Gallen macht aus Carl Zuckmayers Seiltänzerstück mehr als eine kurzweilige Zirkusshow. Das Publikum darf sich auf einen raffinierten Mix aus Artistik und Schauspielkunst freuen.

Für tollkühnen Tanz auf dem Seil (Andreas Muntwyler) und atemberaubende Akrobatik im Reifen (Sarah Lett) sorgen Mitglieder der Zirkustheatergruppe «Cirque de Loin». Begleitet von den mitreissenden Takten der vierköpfigen Zirkusband, bringen ein Affe und ein Clown das Publikum immer wieder zum Lachen.

Die Artisten stehen unter der Leitung von Michael Finger der zeitgenössischen Zirkus-Theater Compagnie, die ihren Sitz im Toggenburg hat. Der Zirkusgründer und der St. Galler Theaterdirektor Tim Kramer bringen Zuckmayers Volksstück aus den 1920er-Jahren mit witzigen Einschüben in die Gegenwart. So sagt man im Zirkus, man habe den verarmten Portugiesen Mario (Paolo Morais) vor dem Einkaufszentrum «Lago» in Konstanz aufgegabelt.

Umgangssprache

Für die Hauptrolle hat das Theater St. Gallen den Schweizer Schauspieler Andrea Zogg («Tatort», «Reise der Hoffnung») engagiert. Er spielt den despotischen, aber väterlichen Zirkusdirektor an der Seite der 22-jährigen Wendy Michelle Güntensperger, die seit zwei Jahren zum Ensemble des Theater St. Gallen gehört.

Im Zirkus spricht jeder, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und so machen es auch die Schauspieler auf der Bühne. Das Gemisch von Basler, Bündner oder Zürcher Dialekt mit französischen oder portugiesischen Brocken lässt die Figuren lebensnah wirken – so wie sie Zuckmayer in seinen Milieubeschreibungen darstellte.

www.theatersg.ch

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