«Eigentlich ist es ein Kampf gegen das erste Gegentor». Passender könnte man die Ausgangslage von San Marino für jedes seiner Länderspiele nicht zusammenfassen.
Giampaolo Mazza weiss, wovon er spricht. Er war Rekordtrainer des permanenten Gruppenletzten. Von 1998 bis 2013 stand der in Genua geborene Mazza der gemäss aktuellem FIFA-Ranking zweitschlechtesten Nationalmannschaft Europas als Chefcoach zur Seite. Niederlagen waren «business as usual», ebenso die sich wiederholenden Fragen vor Auswärtsspielen in England, der Schweiz oder sonstwo.
Auch Goalie Aldo Simoncini hat sich längst mit seiner Rolle arrangiert, der am meisten beschäftigte und -befragte Spieler seines Teams zu sein. «Es ist schon frustrierend, auf Niederlagen und Gegentore reduziert zu werden. Aber was soll ich machen? Die Fakten sind eben so», sagte er vor dem Hinspiel gegen die Schweiz.
Als San Marino zwei seiner raren Erfolge feierte, war Simoncini noch nicht Nationalspieler seines Landes, dafür aber Mazza der gefeierte Coach. Im April 2001 holte die «Serenissima» in der WM-Qualifikation in Lettland (1:1) erstmals seit dem 0:0 gegen die Türkei acht Jahre davor in einem Pflichtspiel wieder einen Punkt. Und im Juli 2004 gelang im Test gegen Liechtenstein der noch immer einzige Sieg in 132 Länderspielen.
Lange Serien ohne Erfolgserlebnis sind sich die Amateure aus der 62 Quadratkilometer kleinen, ältesten Republik der Welt mit rund 33’000 Einwohnern gewohnt. Zwischen 1990 und dem historischen Sieg gegen Liechtenstein waren es 64 sieglose Spiele hintereinander. Danach folgten gar 61 Niederlagen de suite – bis Teams vom Baltikum unfreiwillige Aufbauhilfe leisteten. Das torlose Remis Mitte November 2014 gegen Estland sorgte für eine Nacht, die San Marinos Spieler und Staff nie mehr vergessen werden. «Einige haben vor Freude geweint», berichtete Pressechef Matteo Rossi dem deutschen Magazin «11 Freunde». «Das, was passierte, glich schon einem Traum. Was hier los wäre, wenn wir gewinnen würden – unvorstellbar.»
Ähnliche Jubelbilder wie in Tallinn verursachte Matteo Vitaiolis Freistoss-Tor vor einem Monat in Vilnius. Das 1:1 des Stürmers war der erste Auswärtstreffer der Sammarinesen nach 14 (!) Jahren. Es hatte etwas Rührendes, wie ausgelassen sich Spieler, Staff und Trainer auf dem Feld über den zwischenzeitlichen Ausgleich freuten. Am Ende nützte das ebenso wenig wie der viral gegangene Tweet des mutmasslich von Messi-Fans betriebenen Fake-Profils des Fussballverbandes von San Marino («Tore von San Marino im September: 1. Tore von Cristiano Ronaldo im September: 0»). San Marino verlor die Partie in Litauen noch 1:2, CR7 traf in den nächsten beiden Partien für Real Madrid acht Mal.