Der Ständerat hat sich nicht von der allgemeinen Empörung über das Gebaren der FIFA anstecken lassen. Er hat die Verschärfung des Korrupionsstrafrechts am Mittwoch in einem wichtigen Punkt abgeschwächt.
Zwar waren im Rat markige Worte zu hören, allerdings vorwiegend von Vertretern der Linken. So bezeichnete SP-Präsident Christian Levrat (FR) die Korruption als «Krebs der Gesellschaft». Die aktuellen Ereignisse zeigten, welche Konsequenzen eine unzureichende Gesetzgebungen haben könne.
«Kein FIFA-Tribunal»
Robert Cramer (Grüne/GE) sprach von einer «vollständigen Pervertierung der wirtschaftlichen Beziehungen», der CVP-Vertreter Stefan Engler (GR) hingegen nur noch von einer «üblen Sache». Engler erinnerte auch daran, dass es nicht um die aktuellen Ereignisse, sonder um die Revision des Korruptionsstrafrechts gehe. «Wir sind kein FIFA-Tribunal», sagte er.
Der Bundesrat hatte, als er die Vorlage ausarbeitete, allerdings durchaus auch die FIFA im Sinn. Den Handlungsbedarf begründete er unter anderem mit den Kontroversen im Zusammenhang mit der Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaften nach Russland 2018 und Katar 2022.
Damals stellte sich die Frage, ob die Vergabe grosser Sportanlässe unter das geltende Recht fällt. Heute ist die Bestechung Privater nämlich nur dann strafbar ist, wenn sie zu Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) führt. Fehlt eine Konkurrenzsituation, ist Korruption im privaten Sektor heute zulässig.
Der Bundesrat schlug daher vor, Privatbestechung neu als Straftatbestand im Strafgesetzbuch aufzunehmen. Diese soll auch nicht mehr nur auf Antrag, sondern von Amtes wegen verfolgt werden. Im Grundsatz war dies im Ständerat unbestritten.
Kein Verfahren in Bagatellfällen
Auf Antrag seiner Kommission machte der Rat beim Offizialdelikt aber eine entscheidende Einschränkung: Mit 22 zu 23 beschloss er, dass Privatbestechung nur auf Antrag verfolgt wird, wenn keine öffentlichen Interessen verletzt oder gefährdet sind.
Christian Levrat (SP/FR) warnte, dass dadurch die ganze Vorlage ihres Gehalts entleert werde. Es sei dem Untersuchungsrichter gar nicht möglich, das öffentliche Interesse abzuklären, wenn er den Sachverhalt noch nicht festgestellt habe.
Die Mehrheit wollte jedoch sicherstellen, dass in Bagatellfällen kein Strafverfahren durchgeführt werden muss. Wenn sich der Angestellte eines Bäckers bestechen lasse, damit er für den Betrieb einen bestimmten Ofen kauft, solle der Chef über die Durchführung eines Strafverfahrens entscheiden, sagte Pirmin Bischof (CVP/SO).
Es gebe im Strafgesetzbuch bereits eine Ausnahmebestimmung für Bagatellfälle, erwiderte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Sie warnte vor dem neuen Kriterium, das ihrer Meinung nach unweigerlich zu Abgrenzungsproblemen führen wird. Es frage sich, wer festlegen solle, was im öffentlichen Interesse sei, und das noch vor Eröffnung eines Verfahrens.
Mit der Ausnahme werde die ganze Strafverfolgung relativiert und eine Rechtsunsicherheit eingeführt, sagte Sommaruga. «Also das Gegenteil davon, was mit der Vorlage beabsichtigt wird.»
Schweizer Geschäftsgebräuche kein Gradmesser
Gegen eine weitere Aufweichung kämpfte die Justizministerin hingegen erfolgreich. Die Kommission beantragte, dass «im Geschäftsleben übliche» Vorteile nicht als ungebührend gelten. Jean-René Founier (CVP/VS) schlug vor, die «Schweizer Geschäftswelt» zur Messgrösse zu erheben.
«Wir müssen Acht geben, dass nicht plötzlich bei uns übliche Geschäftsgebräuche strafbar werden», sagte Thomas Hefti (FDP/GL). Eine Firma müsse weiterhin Weihnachts- oder Jubiläumsgeschenke verteilen oder Vertreter einladen dürfen. Sommaruga erinnerte ihn daran, dass dies so lange nicht strafbar sei, wie damit keine Treuepflichtverletzung beabsichtigt sei.
Mit der Einschränkung für die Privatbestechung würde aber gleichzeitig die Strafbarkeit von Amtsträgern verwässert: Auch sie könnten sich künftig auf die Gebräuche der Schweizer Geschäftswelt berufen. Damit würde das Korruptionsstrafrecht nicht gestärkt, sondern geschwächt.
Der Rat lehnte den Kommissionsantrag schliesslich ab. Auch ein Antrag der Linken scheiterte, mit dem die Strafdrohung für schwere Fälle hätte verschärft werden sollen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ausweitung der Strafbarkeit für Amtsträger passierte den Rat dagegen diskussionslos.
In der Gesamtabstimmung hiess der Rat das Gesetz mit 23 zu 4 Stimmen gut, jedoch mit 16 Enthaltungen, vorwiegend von Links-Grün. Die Vorlage geht nun an den Nationalrat.