Venedig feiert die Schauspieler. Doch die Schauspieler haben mehr zu sagen, als Partygeflüster. Al Pacino, Frances McDormand, Alba Rohrwacher, Adam Driver,
Das 71. Filmfest in Venedig ist morgen zu Ende. Die Schauspieler der Filmbranche prägten das Bild: Auf dem roten Teppich, und in den roten Köpfen: In Venedig treten Schauspieler den Beweis an, dass es sie braucht – als Provokateure, Menschendarsteller und Experten des Geschichten-Erzählens.
Das Thema Schauspielen ist in der Gesellschaft angekommen
Während auf Youtube täglich 103 000 Stunden Laien-Filmchen aus der Wirklichkeit hochgeladen werden (wovon in Wirklichkeit nur ein Bruchteil auch wieder heruntergeholt werden), besinnt man sich im Fiction-Business auf das unberechenbare Kernkapital: Schauspieler! Auch wenn es möglichscheint, dass der Film der Zukunft ohne Schauspieler stattfinden könnte: Bereits heute verändern Motion Capturing, Bluescreen, Keying-Techniken und Digital Picture Generating den Beruf der Darsteller.
Auch der Trend zur Doku-Fiction führt zu einem neuen Schauspieler-Begriff. Schon Godard witzelte einst:«Dokumentarfilme sind Filme, in denen Schauspieler nicht bezahlt werden». Wird das darstellende Handwerk zum Auslaufmodell? Schauspieler beweisen in Venedig erst einmal das Gegenteil: Die Alten, wie auch die Jungen. Es braucht die Spezialisten, die mittels Menschen-Darstellung Geschichten erzählen, mehr denn je.
Auch sägt mir nicht die Luft zu oft mit Euren Händen!
Gleich im ersten Film des Wettbewerbs der 71. Mostra in Venedig begeistert Michael Keaton in «Birdman» von Alejandro González Iñárritu in einem Schauspielerfilm. Ein ganzes Ensemble überzeugt mit unbändigem Wirklichkeitsspiel, und lanciert das grosse Thema des Festivals: Wie echt sind wir in unseren Gefühlen noch? Wie echt können dann Schauspieler sein? Da wird gestöhnt, gelacht, geweint, gejammert – aber was ist echt?
Echt ist, wenn etwas wirklich geschieht. Ist es dann echt, wenn wir, wie in Ognjen Sviličìs «These are the Rules», sehen, wie ein Junge wirklich zu Tode geprügelt wird? Vor der Handy-Kamera! Echt ist daran vor allem eins: Der Mann hinter dem Handy-Auge hat zugeschaut! Es zwingt uns zuzuschauen, wie er nichts unternimmt. Genau das ist es, was gute Schauspieler darüber hinaus können: Uns nicht nur zuschauen lassen, sondern mehr sehen. Oder eben auch: genauer hinhören.
Wer am ersten Tag des Festivals in Venedig «Reality» von Quentin Dupieux gesehen hat, wird von dem Musiker und Chef-Ironiker gleich mit einem echten Ohrwurm blockiert. Dupieux lässt seine Hauptfigur Stöhner üben. Echte, schauspielerische Stöhner.
Dupieux spielt surreal mit der Wirklichkeit.
Alain Chabat spielt einen Möchtegern-Regisseur, der hunderte von Stöhnern auf Tonband aufzeichnet, auf der Suche nach dem echten, ultimativen, oscargekrönten Gestöhne, das der Produzent von ihm will: Einen Oscar für Stöhnen! Wer nun Chabats oscarwürdiges Jammern in Venedig im Ohr hatte, konnte fortan in jedem Film bei jedem Gestöhne zusammenzucken. Schauspieler stöhnen gar viel. Aus Schmerz, aus Lust, aus Angst. Aber ist immer ein Schauspieler am Werk wenn es echt klingt?
Iñárritus Spiel mit der Wirklichkeit
Der Mexikaner Iñárritu eröffnete den Wettbewerb mit der erweiterten Frage nach der Echtheit vor der Kamera. Er fragte auch nach der filmischen Echtheit, und der philosophischen Wirklichkeit: Was ist da filmisch noch wirklich? Und was ist die Bedeutung davon?
Michael Keaton spielt in «Birdman» einen Science-Fiction-Star. Bislang musste dieser Star, Riggan Thomson, wenige Beweise von Talent abliefern. Hollywood ist ja auch nicht sonderlich bekannt dafür, dass bei Schauspielern das Talent am wichtigsten ist. Hollywood pflegt sogar gerne die Mär, man müsse nichts können, um ein Star zu werden.
In Venedig bejubelt: Iñárritus Beitrag zur Deutung der Wirklichkeit
Der alternde Filmstar Riggan Thomson (Michael Keaton) lotet nun als Schauspieler genau das aus: als Star musste er sich bis jetzt nie beweisen, als Theater-Schauspieler nun allerdings sehr. Das spielt Michael Keaton erst einmal ganz schlecht: Riggan tut nur so, klingt nicht echt, agiert angestrengt. Riggan tönt wie ein Vorabendschauspieler. Keaton spielt das grandios, sprich: er spielt es echt gut – schlecht.
Wie viel von uns ist noch echt?
Erst als ein Schauspieler-Kollege ersetzt werden muss, wird Riggan gefordert: Der neue Schauspieler, gespielt von Edward Norton («Fight Club») ist ein Realismus-Freak, und heisst dennoch sinnigerweise Mike Shiner: Dieser Mike Shiner ist nicht dem schauspielerischen Schein verpflichtet, sondern ganz dem performativen Sein.
Er will nichts spielen. Er will alles nur «sein». Edward Norton macht alles in echt. Er will echten Schnaps trinken, er will sich wirklich bedroht fühlen auf der Bühne. Er will keinen Text lernen. Er will ihn sich einfallen lassen. Er will sogar auf der Bühne echt beischlafen.
Damit bringt Mike Shiner seinen Regisseur und Spielpartner Riggan gleich mehrfach in die Klemme: Iñárritu lässt Norton und Keaton in einem wahren Schauspielerduell auftrumpfen. Als Shiner mit der Tochter von Riggan herumknutscht, kommt es zum Eklat. Echt echt? Oder ist dann doch alles nur wieder gespielt?
Der «Nackte Wahnsinn» gleich zweimal reloaded
Peter Bogdanovich ist ein zweiter Schauspieler, der in Venedig als Regisseur zur Frage von Schein und Sein nachdenkt. Nur tut er es in «She’s Funny That Way» nun als echter Regisseur: In seinem Film spielt den Regisseur Owen Wilson. Der gerät durch die Besetzungscouch in ein grandioses Verwirrspiel. Während auf der Bühne geprobt werden soll, laufen hinter den Kulissen Ranküne und Kabalen auf Hochtouren.
Bogdanovich lädt zu einer Screwball-Comedy ein, in der der Regisseur (Owen Wilson) selber bald nicht mehr weiss, ob er spielt, oder in Wirklichkeit nur so tut, als ob alles genau so ist, wie er es erfindet.
Peter Bogdanovish, der Schauspieler, der inszeniert
Peter Bogdanovich, der selber in jungen Jahren eine kleine Rolle in «Opening Night» von John Cassavetes spielte, einer Ikone des Realismus in Amerika, kennt sich mit der Schauspielerei aus. Er studierte einst bei einer anderen Ikone, Stella Adler, die eine ganze Generation von realitischen Schauspielern ausgebildet hat.
Dennoch verführt Bogdanovich seine Schauspieler nicht zu üppigem schaufühlen. Er lässt sie witzeln, übertreiben, so sein, als ob sie gar nicht echt zu sein bräuchten. Das macht schon beim zuschauen Spass. Aber sicher noch mehr beim machen.
Da wird alles genussvoll sichtbar gemacht, jede Pointe giocoso gesetzt, keine Bewegung dem Zufall überlassen, bis wir uns heiter in der Künstlichkeit verlieren: Sogar das Schlussbild in «She’s Funny That Way» ist der Theaterkünstlichkeit nachempfunden, wie sie einst Michael Frayn im «Nackten Wahnsinn» für die Bühne entwarf. So rutscht der Schluss leicht in den Kitsch. Aber Kitsch ist nicht immer das Gegenteil von Wirklichkeit.
Schauspieler sind nicht immer Schauspieler
Wo Bodgdanovich Lustspiel-Chargen liefert, dekonstruiert Iñárritu Theatermuster. Er lässt eine Aufführung proben. Er zeigt das als harte Arbeit. Hochmsikalisch, brillant montiert, sensationell gespielt, bleibt er Bild für Bild der filmischen Narrration verpflichtet, und offeriert seinen Schauspielern Situationen für echtes Spiel, und lässt sie scheitern.
Während Bogdanovich seinem Ensemble altbekannte Witzchen und Comedy-Charme offeriert, holt Iñárritu den «Nackten Wahnsinn» von Michael Frayn erbarmungslos in unser Jahrtausend. Micheal Keaton wird mit jeder Einstellung besser und klar – undurchschauberer. Sein Riggan entwickelt mit jeder Einstellung zum echten Zentrum des Films.
Dieser Riggan hat als Regisseur selbst ein grosses Thema: Realismus. So spielt das Keaton auch. Aber der Schauspieler Riggan gerät mit jeder gewonnen Echtheit mehr ins Trudeln: Ihm wird bald klar, dass er als Filmberühmtheit nur Show, aber nicht Kunst geliefert hat. Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Keaton wird immer echter.
Reggan driftet manchmal ganz ins Irreale ab. Aber Iñárritu fordert das nicht willkürlich. Er führt über seine Antithese hinaus: Film ist nicht unwirklich: Er kann uns oft besser ahnen lassen, was wirklicher ist, als die Wirklichkeit selbst. Am Schluss hilft Reggan der Realität ins Spiel zurück. «Was meinen wir mit Liebe, wenn wir von Liebe reden?» ist die Hauptfrage des Stücks, die es am Premièrenabendstellt.
Der Theaterfilm wird zum Theater im Film
Barry Levinson ist der dritte im Bund, der einen Schauspieler auf die Suche nach seiner Wirklichkeit schickt: Er begleitet in «Humbling» Al Pacino zu seiner nächsten Theaterpremière.
Al Pacino hat grosse Figuren immer gespielt, als wäre er sie – in Echt. Corleone, Tony Montana, Carlito. In «Humbling» zeigt Pacino – als Schauspieler – einen Schauspieler in der Sinnkrise.
Aber was ist das, wenn ein Schauspieler spielt, er wolle nicht mehr spielen? Eine gespielte Sinnkrise?
Der Schauspieler spielt mit seinem Spiegel
Gleich in der ersten Szene sitzt Pacino vor dem Spiegel und lässt sich in die schauspielerischen Karten gucken. Er hinterfragt seine Marotten, er stellt seine Manierismen aus, er überprüft alles, was nicht echt ist, um es zu vermeiden und merkt sich, was er besonders wahr empfindet, um es dann spielen zu können.
Er hat für alles einen Satz, aber nie einen eigenen. Er nutzt Leihsätze von Shakespeare oder Miller. Pacinos Simon Axler ist einer der grössten Schauspieler Hollywoods, und er ist nie als er selbst gesehen worden:
Jetzt tritt eine junge Frau in sein Leben und reizt den Alten in der Liebe noch einmal er selbst zu sein. Doch wer ist er selbst – nach einem langen Schauspielerleben? Was ist seine wirkliche Rolle, nachdem er hunderte von Rollen gespielt hat? Pacino stellt sich schonungslos selbst bloss – scheinbar tut er das so, wie einst in «Looking for Richard». Doch jetzt hinterfragt er sein Handwerk als Schauspieler indem er einen Schauspieler spielt und – gerät wirklich in die Krise! Das heisst, er stellt sie dar – im Film.
Dann spielt der Schauspieler Pacino doch
«Humbling» wird noch spannender, wenn man ihn in Zusammenhang mit Pacinos zweitem neuen Film sieht, den er als Schauspieler in Venedig präsentierte: Dort, in David Gordon Green «Manglehorn» spielt Pacino einen einfachen Schlosser, eine Figur, die eigentlich weit weg von ihm liegt – einen Handwerker, der zupackt.
Pacino stellt hier einen anderen dar, als sich selbst. Doch, wie immer, «ist» er nicht die Figur. Er «macht» die Figur zu sich selbst. Das ist es, was sein Handwerk als Schauspieler in Reinform erscheinen lässt. Schauspielerei ist bei ihm auch immer eine Performance.
Venedig rollt den Teppich für Al aus
Die Jungen Schauspielhandwerker
Die Generation Pacino hat dieses realistische Handwerk über Jahrzehnte entwickelt. Aber es gibt sie längst, die junge Generation, die in Venedig ebenfalls feiern konnte. Junge Menschendarsteller, die beweisen, dass Schauspielkunst mit Motion Capturing und Digitaler Rechnerei nicht am Ende sein wird.
Gefeiert hat man in Venedig zum Beispiel Andrew Garfield («Spiderman»). Er zeigt in der Regie von Ramin Barahmi in «99 Homes» die komplette Welt eines arbeitslosen Handwerkers. Garfield arbeitet mit grosse körperlicher Präzision, schafft emotional jede Verwandlung, konstruiert seine Situationen präzise. Er schafft damit nicht nur den Absprung ins grosse Fach. Er entwickelt auch bereits einen persönlichen Spiel-Stil.
In «99 Homes» zeigt der Spiderman Qualität
Alba Rohrwacher ist die andere, die feiern durfte von den Jungen. Sie baute in «Hungry Hearts» des Italieners Saverio Costanzo die Scheu einer Figur ganz nahe an ihre eigene. Rohrwacher fängt mit kleinen Gesten der Sorgfalt an. Sie nimmt die Texte nahe an sich, ist hellwach für ihre Partner. Rohrwacher kann aber auch Fallhöhen herstellen: wie leicht, wie witzig sie die grandiose Eröffnungszene des Films spielen kann. Das Paar, das zu Beginn in der Toilette gefangen war, und dort fürs Leben zusammenfindet, wird von ihrer Sturheit schliesslich aus den Gleisen geworfen. Rohrwacher gelingt es, das zunehmend Störrischische von der Figur Besitz ergreifen zu lassen. Sie setzt alle Kraft ein, schauspielerisch eine Frau zu begründen, die ihr Kind verhungern lässt – aus Liebe?
Es ist ein erschütterndes Dokument eines Rätsels: Als diese Mutter von der Schwiegermutter im dritten Teil des Films eine Ohrfeige erhält, schafft sich auch im Publikum der Zorn Luft: Es gibt Applaus im Kinosaal. Unvergesslich auch, wie die Rohrwacher nach dem Kaiserschnitt, den ihre Figur nicht wollte, im Spital ganz leise aufsteht, besser, sich hochrappelt, um ihr Kind zu wollen, zu besitzen, und nie mehr loszulassen. Da erzählt eine Schauspielerin nicht die Not einer Frau. Sie fasst die ganze Not einer Generation von Frauen zusammen, die für ihr Kind das Beste wollen.
Die neue Generation: Adam Driver und Alba Rohrbacher
Das Schwergewicht des Festivals: Schauspieler und ihr Handwerk
Zusammengenommen legt Venedig mit diesen Filmen ein Statement zu unserer Zeit ab: Die Kunst der Darstellung nimmt immer mehr Raum ein im Leben der Menschen. Selbst-Darstellung im virtuellem Selbst-Bild werden immer mehr zum Alltag. Das mediale Leben erfordert immer mehr Schauspielerei.
Eine Schauspielertruppe entlarvt eine Regierung von Schauspielern
In Venedig bewies ein Schauspielerfilm aber auch, dass er über die Theaterwelt hinausweisen kann: Für Begeisterung sorgte eine provozierend politische Doku-Fiction über die Mafia – inszeniert von einer Frau. «La Trattativa» rollt mit einem Theater-Ensemble die jüngste Vergangenheit der Mafia-Ermittlungen auf. Die Regisseurin Sabina Guzzanti schliesst den Bogen zu den internationalen Filmen des Festivals, die die Frage stellten: Was ist Spiel? Was ist Wirklichkeit? Sabina Guzzanti ist mit dieser Frage den Verstrickungen von Macht und Mafia nachgegangen, eine Frau – die eine Männertruppe inszeniert.
Sabina Guzzanti lässt eine Schauspielertruppe die Fakten um Berlusconis Emporkommen und den Verflechtungen seiner Partei «Forza Italia» mit der Mafia darstellen. Dazu hat sie das Theater-Ensemble in einer Produktionshalle versammelt und lässt Interviews nachspielen, Verhöre proben, Fakten für sich sprechen.
Citizen Berlusconi
Sabina Guzzanti durchleuchtet in ihrer Doku-Fiction die Ermittlungen nach den Bombenanschlägen in Mailand, Rom, Neapel in den Neunzigerjahren neu. Sie zeigt, mit welcher Imfamie von den Drahtziehern Scheintäter präsentiert wurden, Ermittler kaltgestellt, und politische Karrieren ruiniert wurden. Sie macht mit ihrem Spielstil in ihrem Film vor allem Eines klar: Erst die Darstellung durch Schauspieler erhellt das damalige Schauspiel, dem Italien in Wirklichkeit in den letzten Jahren ausgesetzt war, das aber von den Medien in den Händen Berlusconis perfekt inszeniert wurde.
Auch nicht mehr alle Mafiosi machen das Schauspiel mit
In der Zwischenzeit liegen Geständnisse von Mafiosi vor, die echt sind. Guzzanti lässt sie darstellen und macht erst damit richtig klar: Die Ermittlungen nach den Morden an den Ermittlern Borsellino und Falcone von damals waren schlechtes Schauspiel. Senatoren und Geschäftspartner von Berlusconi (z.B. dell’Utri) werden von Guzzanti als das entlarvt, was sie immer waren: schlechte Schauspieler. Sie tut das, indem sie sie von Schauspielern darstellen lässt.
Guzzanti wendet mit ihrem Ensemble an, was sich in den ersten Filmen des Festivals ankündigte: Schauspielerei zeigen die Realität, die wir bislang für wahr nahmen, mit mehr einem Sinn für die mediale Wirklichkeit. Die mediale Darstellung von Wirklichkeit ist zum Thema geworden, auch im Fiction Film. Glotzt nicht, forderte einst Bertolt Brecht seine Zuschauer im Theater auf. Seit immer mehr Politiker sich vor den Kameras der Medien als schlechte Schauspieler entpuppen, fällt es Schauspielern wieder leichter, ihre Kunst ins Spiel zu bringen. Jetzt feheln in Italien nur noch die grossen Regisseure, die ihre Schauspieler zu Wort kommen lassen. Die Auslese der Filme in Venedig lässt hoffen. Schola, Fellini und Werthmüller sind noch weit. Immerhin Pasolini war wieder präsent. Abel Ferrare widmete ihm einen der letzten Filme des Festivals.
Schauspieler leihen sich Sätze nur aus. Dennoch haben sie etwas zu sagen
Die Filme in Venedig fassten es so zusammen: Die Schauspieler betreiben als Spezialisten ein Handwerk. Ihre Techniken werden immer mehr zum Verhaltenskanon des Alltags. Die darstellende Kunst ist zu einer Ergänzung des urbanen Lebens geworden. Darstellung und Selbst-Darstellung fliessen medial ineinander. Der Film kann helfen, den Blick für Verstellung zu schärfen.
Darstellende Künstler haben in Venedig gezeigt, wie Menschen sich in der Gesellschaft zunehmend mehr in einer Parallelwirklichkeit darstellen: In dieser medialen Prallalwelt lüben Politiker («Der Präsident», Moshem Makhmalbaf), betrügen Männer («3 Coeurs», Benoît Jacquot), wollen Diebe ehrlich erscheinen («La Rançon de la Gloire», Xavier Beauvois), und beschwindel Frauen Kinder («Dearest», Peter Ho-sun Chan) ja, Film-Kritiker versuchen uns Filme vorstellen, deren Regisseur als verschwunden gilt («Belluscone», Franco Maresco»)
Eine grosse Darstellerin ehrte Venedig schon vor der Verleihung der Löwen: Frances McDormand («Blood Simple», «Fargo») erhielt am Dienstag den Persol-Preis. Sie steht uns demnächst in der bejubelten Serie «Olive Kitteridge» ins Haus. Aber erst einmal stehen morgen die Löwen an. Wir sind gespannt.