Eine Ärztin und Wissenschaftlerin prangert schlechte Arbeitsbedingungen für Frauen an der Klinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie des Berner Inselspitals an. Sie hat vor einigen Tagen Klage eingereicht und der zuständigen Schlichtungsbehörde «einen Bundesordner voller Beweismittel» übergeben.
Damit untermauert die Ärztin eine lange Liste von Unstimmigkeiten, Konflikten und Regelverstössen, die sie kritisiert. Zu den Kernthemen gehören ein mangelhafter Mutterschutz und unzureichende Karrieremöglichkeiten für Frauen.
Die Ärztin, die sich derzeit in den USA aufhält, berichtete am Freitag auf Anfrage von zahlreichen Abgängen von Personen mit langjähriger klinischer Erfahrung und bestätigt einen Bericht der «Berner Zeitung» vom Donnerstag. Solche Abgänge seien der Patientensicherheit nicht zuträglich, so die Ärztin.
Es dürfe nicht sein, dass Gesetze nicht eingehalten würden, die schwangere und stillende Frauen schützen sollten, kritisiert sie weiter. Bei den heute zahlreichen, bestens ausgebildeten Frauen müsse sich ein Arbeitgeber Gedanken machen, wie Frauen Schwangerschaft, Kinderbetreuung und Beruf unter einen Hut bringen könnten.
«Und es kann nicht sein, dass wir Frauen heute zwar super ausgebildet sind, aber keine Chance haben, eine adäquate Führungsposition einzunehmen», schreibt die Ärztin weiter.
Ideen, wie den Bedürfnissen der Klinikmitarbeiterinnen besser Rechnung getragen werden könnte, gibt es: etwa ein beruflicher Wiedereinsteig nach der Geburt mit einem anfänglich tieferen Beschäftigungsgrad, der in den ersten beiden Lebensjahren des Kindes aufgebaut werden kann.
Mitarbeitende der Klinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie (KAS) hatten nach Angaben der Ärztin gemeinsam ein Konzept erarbeitet, wie dem Mutterschutz besser Rechnung getragen werden kann, ohne dass die Frauen aus dem Berufsleben wegdriften und so wertvolle Erfahrung verloren geht. Doch umgesetzt wurde es nach Angaben der Ärztin nie.
KAS-Leitung in der Kritik
Die Kritik richtet sich insbesondere an die Leitung der KAS unter Direktor Frank Stüber, an dessen Führungsstil sich die Geister scheiden. Klinikintern wurde das Arbeitsklima verschiedentlich als nicht konstruktiv kritisiert. Die Ärztin wandte sich an Vorgesetzte und Gleichstellungsbeauftragte – ohne greifbaren Erfolg. Eine Aufsichtsbeschwerde ist derzeit noch hängig.
Die Urheberin der Ende Oktober eingereichten Klage war zehn Jahre als Oberärztin am KAS tätig. Auf Ende November wurde ihr die Stelle gekündigt. Nun ficht sie die aus ihrer Sicht missbräuchliche Kündigung an.
Das Inselspital äusserte sich am Freitag mit Verweis auf ein laufendes arbeitsrechtliches Verfahren nicht zu den Vorwürfen. In der «Berner Zeitung» vom Donnerstag wird die Insel-Geschäftsleitung dahingehend zitiert, dass die Patientensicherheit in der Klinik vollumfänglich gewährleistet war und ist. Die Vorwürfe würden seriös geprüft.