Wie unser Autor in der Wüste zu einer wässrigen Brühe namens Filterkaffee fand.
Ich brauchte vier Jahre und zwei Begegnungen, um beim Filterkaffee auf den Geschmack zu kommen.
Die erste Begegnung fand im Winter 2013 in Antwerpen statt. Dort befindet sich an einer unscheinbaren Ecke in der Altstadt das Café Normo, ein Lokal direkt aus dem Hipster-Kaffee-Bildband. Ich wollte eigentlich bloss einen kurzen Espresso kippen. Doch wie es in Belgien so oft geschieht, wurde ich vom Barista in ein Gespräch verwickelt.
Der Belgier hat ein geselliges Naturell. Und als Barista Jens herausfand, dass ich Journalist bin, führte er mich durch sein Café, das auch eine Rösterei ist, und liess mich alle seine Kaffeesorten kosten. Nebenbei verkündete er, dass er Filterkaffee in Europa wieder cool machen werde. In Portland sei das bereits das nächste grosse Ding.
Ich war naiv, unbeeindruckt und belächelte Jens ein wenig. Sollte der kurlige Kaffeeröster bloss versuchen, seine dünne Brühe an den Mann zu bringen. Ich wollte meinen Kaffee kurz und schwarz. So dicht, dass man das Löffelchen in der Tasse nicht mehr sehen kann. So stark, dass mit dem Koffeinkick auch gleich das Sodbrennen einsetzt.
Die aromatische Vielfalt des Koffein-Tees
Das änderte sich erst, als ich in einem leicht angestaubten Roadside Diner irgendwo in einem Wüstenkaff in Arizona auf Rose traf. Rose fand wohl, dass dieser alleinreisende junge Mann aus der Schweiz ein wenig mütterliche Zuwendung nötig hatte. Sie trug eine weisse Schürze, nannte mich Darling und füllte meine Tasse unablässig aus ihrer Kaffeekanne nach, wie sie das bei ihren Gästen wohl seit Jahrzehnten tut. Rose überredete mich zu einem Stück Rüeblikuchen. «Homemade, du wirst ihn lieben, Darling.» Das tat ich tatsächlich. Und auch Rose hatte es mir angetan, zusammen mit ihrem Filterkaffee.
Fortan waren der «drip coffee» und ich beste Freunde. Den Kurzen, Dichten, Starken hatte eine Art Koffein-Tee abgelöst, der trotz höherem Koffeingehalt irgendwie bekömmlicher ist. Man kann ihn gleich tassenweise trinken und seine aromatische Vielfalt übertrifft den Espresso bei weitem.
Die USA-Reise ging zu Ende und nach einem langen, turbulenten Flug suchte ich in Zürich am Flughafen völlig übernächtigt gleich den Starbucks auf. In der Hoffnung, dort den zuverlässig okay-en Filterkaffee zu finden, den die Coffeeshops in den Staaten überall anbieten.
Grossmutter irrt nie
Doch ich wurde enttäuscht – und so sollte es weitergehen: Frage ich in Basel nach Filterkaffee, ernte ich hochgezogene Augenbrauen, noch in den szenigsten Lokalen. Einzige Ausnahme: Das Café Frühling an der Klybeckstrasse, wo das Getränk mit 6.50 Franken allerdings etwas satt bepreist ist. Jens, der Barista aus Antwerpen, scheint mit seinem Vorhaben in einem hippen Café in Zürich steckengeblieben zu sein. Dort geniesst der «Filti» nämlich steigende Popularität.
Wie damals in der Wüste Arizonas kam die Rettung aus einer anderen Zeit. Die Bodum Chambord ist ein Klassiker. Mitte 20. Jahrhundert so unaufdringlich designt, dass auch die demonstrativ genügsame Nachkriegsgeneration sich beim Sonntagskaffee daraus ihre Meissener Tässchen füllte, während sie beim Konfekt beherzt zugriff.
Und da Grossmutter nie irrt, bereite nun auch ich mir meinen Filterkaffee in der French Press zu. Das Konzept überzeugt: keine Kapsel, kein Papierfilter. Keine überteuerte und platzraubende Kaffeezubereitungs-Apparatur, die eine Barista-Schulung voraussetzt und morgens erst mal eine halbe Stunde braucht, um Betriebstemperatur zu erreichen. Die French Press heisst deutsch-korrekt Pressstempelkanne und französisch-verspielt Cafetière. Ich habe meine Rose getauft.
Jetzt fehlt mir bloss noch ein gutes Rezept für Rüeblikuchen.