Luxus Food hat in der Vorweihnachtszeit wieder Hochkonjunktur. Als edel gilt, was rar ist und in mikroskopischen Mengen zu exorbitanten Preisen erworben werden kann – neuerdings auch Schneckenkaviar.
Mit dem vorweihnächtlichen Treiben tut sich die Frage auf, was man seinen Gästen zum Fest auftischen wird. Als ehrgeiziger Host lässt man ungern etwas anbrennen, denn es gilt, einen Ruf zu bewahren.
Da ist man froh über all die Food-Nerd-, Delikatessen- und Gutes-Gewissen-Läden, die eine Möglichkeit bieten, sich inspirieren zu lassen. Grundnahrungsmittel gegen den Welthunger müssen her! Und zwar innovative. Was willst du mit diesen ordinären Wachteleiern!? Mach das weg, das sind doch bloss Datteltomaten! Doch dann plötzlich die Entdeckung, die Erfüllung, der absolute Superlativ von Slow Food, denn langsamer gehts kaum: Snail Food. S-c-h-n-e-c-k-e-n-k-a-v-i-a-r.
Zauberhaft und totally festlich
Ein wahres Glücksgefühl macht sich breit. Das ist echt mal etwas anderes und weit kreativer als der sonst auf festlichen Platten gängige schwarze «Störfaktor». Bei dem muss man unentwegt ein ungutes Gefühl haben, eingedenk der Umstände, unter denen die Eier aus dem Fisch gedrückt werden wie Zahnpasta aus der halbleeren Tube. Bei dieser Art von Kaviar werden bloss eklige Schnecken mit heissem Wasser verbrüht. Das geht ja noch.
Weinberg-Schneckenkaviar wäre auch ein super Weihnachtsgeschenk. Aber Food-Geschenke macht man bekanntlich erst, wenn man ganz kurz vor dem Fest schon so verzweifelt ist, dass man im Delikatessengeschäft landet, um sich einen in Cellophan verpackten Präsentkorb zu holen (noch unkreativer und vor allem knausriger wirkt es, wenn auf der Flasche «Prosecco» und nicht «Champagne» steht). Doch bei einer Besonderheit wie diesen Snail Eggs muss man schauen, dass sie bis dahin nicht längst ausverkauft ist.
Denn weisser Kaviar macht eine gute Falle. Öffnet man die Dose, sieht die Köstlichkeit aus wie Perlen, die man zu einem Geschmeide binden könnte. Zauberhaft und totally festlich! Und das für nur gerade 76 Franken für 35 Gramm und erst noch aus der Region! Es gibt bereits fünf Schneckenfarmen in der Schweiz, die jeweils an die 100 Kilogramm Schneckeneier im Jahr produzieren. Die meisten stammen von der französischen Weinbergschnecke «Gros Gris», was für eine Gastropode (Bauchfüssler, wie die Schnecken auch genannt werden, weil sie sich auf dem Bauch fortbewegen) zudem auch noch super elegant klingt. Die Gäste werden vor Erstauen gar nicht mehr wissen, wie ihnen geschieht!
Party-Effekt ist gesichert
Und wenn wir das Löffelchen dann erst zum Munde führen: Ein Geschmacksbouquet von modriger Erde und angefaultem Laub, der zähe Biss, der von der Konsistenz her an ausgetrocknete Silberzwiebeln erinnert, die es normalerweise zum Raclette gibt, nur ohne Essig – ein wahres Erlebnis, diese Körner von der Schnecke, wie sie auch genannt werden.
Auch der Eventcharakter darf nicht unterschätzt werden, muss man sich doch erst einmal überwinden, so etwas überhaupt verköstigen zu wollen. Das sichert den Party-Effekt des Diners. Wie damals beim Katzenkaffee. Klar wurden die von den Katzen gekackten Bohnen erst gründlich gewaschen, geröstet und schlussendlich sogar noch abgekocht, bevor sie in feinen Tässchen serviert wurden. Mit den «Perles de France», wie der weisse Kaviar in unserem westlichen Nachbarland genannt wird, wirds nicht anders sein, eventuell gar noch more challenging. Aber hey, come on, wir sind doch keine Spiesser oder?