Die Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» hält aus Sicht des Bundesrates nicht, was sie verspricht. Ein Spekulationsverbot wäre im Kampf gegen den Hunger wirkungslos, würde aber der Schweizer Wirtschaft schaden, argumentiert er.
«Die Spekulanten sind in diesem Kontext nicht nur die Bösen», sagte Bundespräsident und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann am Dienstag vor den Medien in Bern. Die Bauern seien auf sie angewiesen, um sich gegen Preisschwankungen abzusichern.
Die Initiative der JUSO geht davon aus, dass die Spekulation eine der Ursachen für die Schwankungen der Nahrungsmittelpreise ist. Die Initianten wollen spekulative Finanzgeschäfte verbieten, die sich auf Agrarrohstoffe oder Nahrungsmittel beziehen.
Nahrungsmittelproduzenten sollen zwar weiterhin Verträge abschliessen dürfen, die es ihnen ermöglichen, die Ernte zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen bestimmten Preis zu verkaufen. Der Spekulant, der das Risiko trägt, soll mit solchen Derivaten aber nicht mehr handeln dürfen.
Absicherung gefährdet
Für Schneider-Ammann geht das nicht auf. In der realen Welt blieben die Derivate nicht beim Erstkäufer, stellte er fest. Werde diesem der Handel verboten, lasse er sich möglicherweise nicht auf das Geschäft ein. Damit fehle dem Nahrungsmittelproduzenten die Möglichkeit, sich gegen Preisschwankungen abzusichern.
Solche Schwankungen seien in erster Linie durch Naturereignisse wie Dürren und Überschwemmungen bedingt, gab Schneider-Ammann zu bedenken. Auch staatliche Interventionen wie Exportbeschränkungen spielten eine Rolle. Die Spekulation dagegen habe geringen Einfluss.
Spekulation laut Studien nicht schädlich
Der Wirtschaftsminister stützt diese Einschätzung auf eine Metastudie der Universitäten Basel und Luzern. Diese hatten rund 100 Studien ausgewertet. Vier von fünf Untersuchungen kamen zum Schluss, dass spekulative Geschäfte mit Agrarderivaten Preisschwankungen nicht beeinflussen oder sogar verringern.
Abgesehen davon finde der Handel mit Agrarderivaten weltweit statt, stellte Schneider-Ammann fest. In der Schweiz befänden sich keine Handelsplätze für solche Finanzinstrumente. Ein Verbot in der Schweiz hätte also ohnehin praktisch keine Wirkung auf den weltweiten Handel mit Agrarderivaten.
Drohender Wettbwerbsnachteil
Auswirkungen hätte ein Ja zur Initiative laut dem Wirtschaftsminister dagegen auf die Schweizer Wirtschaft, und zwar negative. Viele Unternehmen in der Schweiz handelten international mit Agrarrohstoffen, sagte Schneider-Ammann. Auch Versicherungen, Banken und Pensionskassen seien in diesem Handel tätig.
Bei einem Verbot müsste mit viel Aufwand kontrolliert werden, ob ein Handel mit Agrarderivaten stattfinde und ob dieser unerlaubten spekulativen Zwecken diene. Das würde unnötige Kosten und viel administrativen Aufwand mit sich bringen. Beides sei ein Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten im Ausland.
«Problematisches Zeichen»
Er wolle nicht den Teufel an die Wand malen, sagte Schneider-Ammann, doch ein Ja zur Initiative könnte Arbeitsplätze gefährden. Die Annahme der Initiative wäre ein «sehr, sehr problematisches Zeichen für den Wirtschaftsstandort».
Die Bekämpfung von Hunger und Armut sei ein wichtiges Ziel. Die Initiative sei aber nicht dazu geeignet, es zu erreichen, befand der Bundespräsident. Die Schweiz sollte sich auf die Entwicklungszusammenarbeit konzentrieren. Sie investiere im Kampf gegen Hunger und Armut drei Milliarden Franken jährlich.
Positionslimiten kein Gegenvorschlag
Über die Initiative wird am 28. Februar abgestimmt. Die Spekulation mit Nahrungsmitteln war auch Thema bei der Diskussion des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, welches das Parlament im vergangenen Jahr verabschiedet hat. Dieses gibt dem Bundesrat die Kompetenz, Positionslimiten für Warenderivaten einzuführen – also eine Obergrenze für die Anzahl Derivate, die ein einzelner Marktakteur halten darf.
Schneider-Amman betonte auf eine Frage dazu, es habe sich nicht um einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative gehandelt. Der Bundesrat habe die Grundlage für Positionslimiten deshalb schaffen wollen, weil die USA und die EU entsprechende Regulierungen geplant hätten.
Die damalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf argumentierte im Parlament, die Schweiz könnte dadurch unter Druck geraten. Schneider-Ammann gab am Dienstag dagegen zu bedenken, die Diskussion in den USA und in der EU sei «bei weitem nicht abgeschlossen». Ob und wann der Bundesrat Positionslimiten vorschlagen werde, könne er deshalb nicht sagen.