Bundesrat Schneider-Ammann hat vor Vertretern der Schweizer Industrie den Regierungsentscheid verteidigt, die Masseneinwanderungsinitiative im Sinne des Initiativtextes umzusetzen. Industriepräsident Hess warnte dagegen vor einem Scherbenhaufen in der Europapolitik.
Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die am 9. Februar in einer Volksabstimmung angenommen wurde, hat der Bundesrat laut Volkswirtschaftsdirektor Johann Schneider-Ammann entgegen anderslautender Aussagen wenig Spielraum.
Die Industrie und die übrigen Wirtschaftsverbände hätten eine weiter gefasste Interpretation der Initiative, die von der SVP lanciert worden war, begrüsst, wie Schneider-Ammann sagte.
Vor den Vertretern von Firmen der Maschinenbau-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) zeigte sich der Bundesrat vor allem wegen der ungewissen künftigen Fachkräfterekrutierung nicht glücklich über den Entscheid.
Der Volksentscheid verlange aber eine Reduktion der Zuwanderung. Der Bundesrat habe sich bei seinen Vorschlägen vom «gesamtwirtschaftlichen Interesse» leiten lassen. Dies bestehe vor allem in einer höchstmöglichen Beschäftigung als Voraussetzung für Wohlstand, Lebenssinn und Zufriedenheit.
Der Bundesrat dürfe seine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen, sagte Schneider-Ammann, der den Industrieverband Swissmem vor seiner Wahl in den Bundesrat 2010 präsidiert hatte. Die Glaubwürdigkeit der Behörde definiere letztlich deren Handlungsspielraum.
Industrie will Einfluss nehmen
Mit einer Kontingentierung der ausländischen Arbeitskräfte könnte die Industrie trotz verschärftem Fachkräftemangel wahrscheinlich besser leben als mit einem Scherbenhaufen in der schweizerischen Europapolitik, sagte Swissmem-Präsident Hans Hess am Industrietag im Gespräch mit Journalisten. Jeder zweite Industriearbeitsplatz hänge vom Erfolg in Europa ab.
Die Politik wolle bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative inländischen Aspekten den Vorrang geben. Die Industrie wolle aber darauf pochen, auch stärker den aussenpolitischen Aspekt zu beachten, sagte Hess.
Wirtschaftsminister Schneider-Ammann hofft, dass die bilateralen Verträge mit der EU erhalten werden können: Als Unternehmer und Bergsteiger habe er immer gesehen, dass es immer wieder eine Lösung gebe. Die Industrie habe vergangenen Jahre dank Effizienz und Innovationen gut gemeistert, sagte Schneider-Ammann weiter.
Industrie im Aufschwung
Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz liege seit längerem wieder um 3 Prozent, und die Wirtschaftsprognosen liessen um die 2 Prozent Wachstum erwarten, sagte der Wirtschaftsminister. «Das ist durchaus bemerkenswert für eine so entwickelte Volkswirtschaft wie die unsrige.»
Von Experten und Ökonomen erhobene Daten scheinen Schneider-Ammann Recht zu geben. Die Beratungsfirma IFBC schätzt nach einer Umfrage die finanzielle Situation der Industrie 2013 als besser ein als im Jahr davor. Bei steigendem Umsatz hätten die Unternehmen ihre Betriebsmargen verbessern können.
Die Credit Suisse (CS) schrieb in ihrem Branchenmonitor, dass der Maschinenbau im zweiten Quartal den Aufschwung bei den Exporten auch in höhere Umsätze ummünzen könne. Laut der Grossbank verzeichnete die Gesamtwirtschaft zwischen Januar und Mai ein Plus von 2,5 Prozent bei den Ausfuhren.