Bundespräsident Johann Schneider-Ammann hat anlässlich der Feier zu 150 Jahren Gleichberechtigung der Schweizer Juden die jüdischen Bürgerinnen und Bürger gewürdigt. Sie hätten die Schweiz entscheidend mitgeprägt, sagte er in Bern.
«Die Schweiz wäre ohne ihre jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht, was sie ist: ein starkes, kulturell vielfältiges, wirtschaftlich erfolgreiches und gesellschaftlich tolerantes Land», sagte Schneider-Ammann am Sonntag gemäss Redetext im Berner Kornhausforum.
Der Andrang an der vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) organisierten Feier war so gross, dass sogar akkreditierten Journalisten der Einlass verweigert wurde.
Nach Redetext würdigte der Bundespräsident die Beiträge jüdischer Schweizer in Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Auf die Nennung von Namen verzichtete er dabei bewusst: «Die Liste wäre zu lang und eine Auswahl immer ungerecht.»
Laut Schneider-Ammann sollten die aktuellen Einwanderer die Juden als Vorbild nehmen. Die Juden hätten einen «Willen zur Integration». Sie lebten die Werte der Schweiz, ohne dabei die eigene religiöse und kulturelle Identität aufzugeben. «Wenn die neuen Einwanderer dem Beispiel der Juden folgen, dann kann Einwanderung auch zum Gewinn werden.»
Erst 1866 durften die Juden wohnen, wo sie wollten
Allerdings sei auch die Integration der Juden in der Schweiz «nicht konfliktfrei» verlaufen, so Schneider-Ammann weiter. «Vom Mittelalter wollen wir gar nicht reden.» Doch auch in der ersten Bundesverfassung von 1848 seien die Juden explizit nicht gleichberechtigt gewesen.
Die Bundesverfassung von 1848 hatte Schweizer Bürgern die Niederlassungsfreiheit nur unter der Bedingung gewährt, dass sie einer christlichen Konfession angehörten. Die Juden durften in dieser Zeit bloss in den Aargauer Dörfern Endingen und Lengnau wohnen.
Die freie Niederlassung wurde den Juden erst 1866 durch eine Volksabstimmung gewährt. Die Abstimmung ist nur wegen Drucks von aussen zustande gekommen, wie Schneider-Ammann in seiner Rede nicht verhehlte: «Ohne die Androhung von Handelsboykotten der Amerikaner, Engländer, Franzosen und Niederländer wäre wohl schon damals kaum etwas geschehen.»
Auch nach 1866 habe es «Rückschläge» im Prozess der Gleichberechtigung gegeben. Schneider-Ammann erwähnte das Schächtverbot und «die schwierige Zeit des zweiten Weltkrieges und des Holocausts». Selbst heute, 150 Jahre nach der Niederlassungsfreiheit, sei der Antisemitismus in der Schweiz noch nicht vollständig überwunden.
Seit der Gleichberechtigung sei die Geschichte der Schweizer Juden eine Erfolgsgeschichte, sagte SIG-Präsident Herbert Winter, laut einer Mitteilung vom Sonntagabend. «Wir sind heute nicht einfach gut integriert – wir sind ein integraler Bestandteil dieses Landes und dieser Gesellschaft geworden.»
Ausstellung zeigt Pluralität der jüdischen Bevölkerung
Dem Schweizer Judentum widmet sich auch die Fotoausstellung «Schweizer Juden – 150 Jahre Gleichberechtigung», welche ab Dienstag im Kornhausforum besucht werden kann. Die Ausstellung zeigt Portraits von 15 unterschiedlichen Jüdinnen und Juden, die in der Schweiz leben. Die Bilder des Berner Fotografen Alexander Jaquemet sollen die Pluralität der jüdischen Bevölkerung in der Schweiz darstellen.
Der Kurzfilm «150 Jahre in 150 Sekunden», der ebenfalls Teil der Ausstellung ist, zeigt zudem die wichtigsten Stationen der jüdischen Emanzipation auf. Die Fotoausstellung wird in den kommenden Monaten in verschiedenen Städten zu sehen sein.
Vorgesehen sind auch zwei historisch-literarische Stadtrundgänge durch das jüdische Bern sowie ein Podiumsgespräch zum Thema «Migration als Chance», an dem neben SIG-Präsident Winter auch Mustafa Memeti, Imam und Leiter des Muslimischen Vereins Bern, teilnehmen wird.