Der 35. Asterix-Band steht in den Läden. Vermag das neue Autorenduo Ferri/Conrad an die gloriosen Tage der Vorgänger anzuknüpfen? Jein. «Bei den Pikten» kalauern sich die Comic-Helden durch Kaledonien. Immerhin gelingt ihnen das besser als zuletzt Albert Uderzo.
Die Geheimniskrämerei hat ein Ende, den 35. Asterix-Band gibt es zu kaufen: «Asterix bei den Pikten». Erstmals hat Albert Uderzo den Zeichenstift ganz aus der Hand gegeben, lediglich als Berater soll er den Nachfolgern zur Seite gestanden haben.
Es ist bereits der zehnte Band, der ganz ohne den gelungenen Wortwitz des ursprünglichen Texters René Goscinny auskommen muss. Der Autor starb 1977, danach machte Uderzo alleine weiter. Allerdings mit zunehmend enttäuschenderen Geschichten. Tiefpunkt des Abstiegs bildete «Gallien in Gefahr», der 33. Band, der 2005 erschien. Uderzo versuchte krampfhaft ironisch (oder krankhaft verzweifelt?) an den Erfolg japanischer Mangas und amerikanischer Superhelden anzuschliessen, indem er ausserirdische Supermen auf die Gallier treffen liess. «Ein Desaster, beim Teutates!» lautete die berechtigte, vernichtende Kritik im «Spiegel».
Die Ideen waren ihm offensichtlich abhanden gekommen, doch traute ihm das niemand zu sagen. Zu verlockend waren sie, die Sesterzen, die rollten und rollten. Asterix ist eine Geldmaschine geworden – in Frankreich gibt es gar einen Themenpark, man misst sich in Gallien mit Disney. Wer unser grosses Quiz gelöst hat, weiss zudem, dass weltweit 350 Millionen Alben verkauft worden sind. Doch der Schnitt wurde zuletzt unabdingbar. Das hat der 86-jährige Uderzo eingesehen, der einem neuen Duo den Segen gab, die gallische Geschichte weiterzuspinnen: Jean-Yves Ferri und Didier Conrad treten in die grossen Fussstapfen, mit ihnen will der Verlag, Les Editions Albert René, an die gloriosen Tage von Goscinny/Uderzo anknüpfen.
Ein grosser Rummel und viele Fragen
An der Frankfurter Buchmesse gaben die beiden Nachfolger eifrig Interviews, hielten sich aber noch bedeckt, was den Inhalt anging. Ebenso der deutschsprachige Ehapa Verlag, der ausser dem Titelbild keine Informationen zum neuen Band preisgeben wollte. Da scheint man demselben Zauber zu erliegen wie Harry Potter: Grosser Rummel, verraten wird aber wenig bis nichts. Bei den Pikten, diesem seltsamen Volk aus Schottland, soll die Geschichte spielen. Doch wird die Spannung auch eingelöst, wenn man die 48 Seiten durchblättert? Kann der grosse Graben zwischen Vermarktern und Fans wieder zugeschüttet werden?
Spoiler-Warnung! Hier folgen Details zum Inhalt und den Pointen!
Die Geschichte beginnt eigentlich überraschend: Das gallische Dorf ist zugeschneit, die Wildschweine auch, also machen sich unsere Freunde auf zum Strand, um Austern zu fischen. Ein tiefgefrorener Kaledonier treibt ans Ufer, wird ins Dorf getragen. Miraculix möchte ihn auftauen und zum Reden bringen. Majestix gewährt ihm wortreich Asyl, allerdings nur so lange, bis ihm klar wird, dass die Damen allzu gute Miene machen angesichts des Gasts: Der Schotte betört sie mit seinem leuchtend roten Haar, seinem blauen Tattoo (picti: die Bemalten) und seinem körperbetonenden Kilt. Er rockt auch, der Mann, zitiert Popklassiker wie «Obladii, Obladaa.» Das erklären wir uns zunächst damit, dass dem Song-Urheber Paul McCartney ja auch eine schottische Note anhaftet. Dem Pikten werden aber immer wieder willkürlich Popzitate in den Mund gelegt, von den Bee Gees bis Jingle Bells, er leidet an Pop-Tourette. Naja.
Auf zu fremden Ufern
Es folgt der Ausflug zu fremden Ufern, man will den Gestrandeten nach Hause bringen. Immer eine gute Idee, immer viel versprechend. Denn die besten Asterix-Bände skizzieren die Eigenschaften anderer Völker, karikieren bekannte Figuren und enthalten herrliche Anspielungen auf Klischees: Bei den Schweizern, Belgiern, Briten oder auf Korsika ist das besonders fein gelungen.
Mit diesen Klassikern kann auch der 35. Band nicht mithalten. Zu plump sind manche Kalauer platziert, zu fahrig manche Szenen abgehandelt. Der ewige Running Gag mit den Hochsee-Piraten wird verschenkt, vom Storytelling überlagert. Immerhin eine kleine feine Anspielung findet sich in diesem Rencontre: Der Pikte erzählt eine Liebesgeschichte, worauf ein Pirat sein Taschentuch hervornimmt und reinschneuzt – wer erinnert sich da nicht an Mel Gibsons Kitschtuch in «Brave Heart»?
Die Reise nach Kaledonien, sie liefert natürlich einen Steilpass für Anspielungen. Allerdings sind diese nicht gleichermassen lustig. Was bei den Briten heisses Wasser mit einem Tropfen Milch, ist hier das Malzwasser. Naja, hätte man mehr draus machen können als einige Clankrieger und Druiden mit Whisky vollaufen zu lassen. Immerhin führt es zu einem Wiederlesen mit der deutschen Wortschöpfung «Latürnich!», die hier jedoch nicht von Obelix, sondern von einem römischen Zenturio gelallt wird: Habdenblus.
Pardon? Johnny Hallyday als Schotten-Rocker?
Apropos Musik: Dass der schottische Barde dem französischen Sänger Johnny Hallyday nachempfunden ist, irritiert. Asterix ist zwar eine französische Erfindung, aber so global das Unternehmen heute funktioniert, hätte man doch einen berühmten Schotten einbauen können: Ian Anderson von Jethro Tull. Bon Scott von AC/DC. Oder, warum nicht eine Frau? Amy MacDonald? Was hat Hallyday mit den Schotten zu tun, also, abgesehen vom Rock? Gleich wenig wie Vincent Cassel. Der französische Schauspieler dient als Gesichtsvorlage für den schottischen Clanfeind Mac Abberh (ach, wie Makaber!). Dieser, um die Geschichte zusammenzufassen, intrigiert, will mit den Römern gemeinsame Sache machen, eine Ehe erzwingen und ganz Grossbritannien sowie Gallien beherrschen.
Natürlich helfen Asterix und Obelix, dies zu verhindern. Sie staunen über merkwürdige Gepflogenheiten (Baumstammwerfen, Lachs futtern) und Tiere (da schlängelt ein riesiger Seeotter durchs Loch Endroll!). Bei alldem geraten sie wie gewohnt aneinander, doch sind ihre Wortgefechte lediglich schlechte Kopien alter Klassiker.
Immerhin: Auch wenn manches Geblödel ermüdet oder gar auf den Dudelsack geht: Es gibt auch kleine Witze, die funktionieren. Der verstorbene König heisst Mac Nifizenz, beiläufig wird erwähnt, dass seine begehrte Adoptivtochter Camilla heisst. Eine der besseren Spitzen. Auch erfreut der Band mit einigen hübschen Referenzen auf alte gallische Traditionen, naturgemäss beendet durch das Festbankett.
Ach ja, und dann sind dann ja noch die Römer! Sie spielen eine beiläufige, schwache Rolle. Am stärksten in die Story gepusht wurde ein Volkszähler. Der Running Gag mit ihm führt allerdings ins Leere. Punktabzug.
Seisdrum. Man soll auch nicht allzu kleinkariert kritisieren: Eine knappe Stunde Lebenszeit kostet die Reise zu den Pikten und zurück. Sie ist nicht völlig für die Füchse. Aber auch nicht wirklich nötig. Heute Abend, auf jeden Fall, nehmen wir uns wieder mal die Korsen zur Brust. Subtiler, trockener der Humor, würziger der Käse und weniger überladen die Bilder: Das war wahrlich grosse Kunst. Oiiiink!
- Jean-Yves Ferri/Didier Conrad: «Asterix bei den Pikten», aus dem Französischen von Klaus Jöken, Egmont Ehapa Verlag.