Die Schweiz hat am Weltforum für Menschenrechte in Marrakesch unter anderem die Erfahrungen mit ihrem föderalen politischen System eingebracht. Das Forum ging am Sonntag nach vier Tagen zu Ende.
6000 Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen, Parlamenten, NGO und Experten aus aller Welt erörterten Themen, die von den Rechten der Kinder über Menschenhandel, Zugang zur Justiz für Opfer von Menschenrechtsverstössen, Schutz der Privatsphäre im Internet bis zu den Verpflichtungen von Unternehmen reichten, die Menschenrechte einzuhalten.
«Konferenzen wie dieses Forum können der Menschenrechtsförderung wichtige Impulse geben», sagte Sibylle Obrist, stellvertretende Missionschefin der Schweizer Botschaft in Marokko, der Nachrichtenagentur sda. Zudem sei es für die Teilnehmenden eine Gelegenheit, sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen.
König Mohammed VI erklärte in der Eröffnungsrede, die von Justizminister Mustapha Ramid verlesen wurde, Afrika sei «reif» genug, um zur Erarbeitung neuer Menschenrechtsnormen beizutragen.
Mehrere marokkanische NGO boykottierten das Forum, darunter die grösste unabhängige Menschenrechtsorganisation, der Verband für Menschenrechte AMDH. Anlass war, dass verschiedene Treffen der Organisation in den vergangenen Monaten vom Innenministerium untersagt wurden.
Zumindest in einem Fall wurde das Innenministerium deswegen von der Justiz zu einer Busse verurteilt, wie Driss El Yazami, Präsident des staatlichen Nationalen Menschenrechtsrats (CNDH) in einem Interview der marokkanische Zeitung «Le Matin» sagte.
Vielfalt als Bereicherung
Obrist nahm an einer Veranstaltung teil, bei der es um die Berücksichtigung der Diversität in den politischen Systemen nach dem arabischen Frühling ging. Marokko selber hatte auf seinen «arabischen Frühling» mit einer neuen Verfassung und Reformen reagiert.
In dieser Verfassung ist verankert, dass die Regionen mehr Recht erhalten. Marokko ist derzeit daran, ein entsprechendes Gesetz zu erarbeiten. Dabei stellt sich etwa die Frage, ob die Regionen auch das Recht haben, finanzielle Entscheide zu treffen.
Mit Blick auf die Menschenrechte habe Marokko in den vergangenen Jahren grosse Anstrengungen unternommen, sagte Obrist. Es bestehe ein politischer Wille voranzukommen, bei dem König Mohammed VI die treibende Kraft sei.
Marokko anerkannte in der Verfassung auch die Berbersprache Tamazight als Landessprache. Die Schweiz hatte die Erarbeitung eines Gesetzes dazu begleitet. «Die Einsicht ist wichtig, dass die Vielfalt der Bevölkerung und der Sprachen eine Bereicherung ist und keine Schwächung der Identität oder des Staates», sagte Obrist.
Verantwortung der Privatwirtschaft
Vorrang hatte für die Schweiz an dem Forum auch die Verantwortung von Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte. Dabei geht es neben Arbeitssicherheit und -rechten etwa auch um Landenteignungen für Fabriken.
Die freiwillige Richtlinien zur Einhaltung der Menschenrechte durch Konzerne waren unter Beteiligung der Schweiz vom UNO-Sondervertreter für Privatwirtschaft und Menschenrechte, John Ruggie, erarbeitet worden. Im Juni 2011 wurden sie vom UNO-Menschenrechtsrat verabschiedet.
Rémy Friedmann, Verantwortlicher für diese Thematik bei der Abteilung Menschliche Sicherheit im Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), wies in Marrakesch darauf hin, dass die Schweiz zurzeit einen Dialog mit multinationalen Unternehmen führt, damit diese die Richtlinien in ihre Geschäftspolitik aufnehmen.
«Die Schweiz hat ein Interesse daran, dass sich ihre multinationalen Konzerne korrekt verhalten», sagte Obrist. Für sie ist der Respekt der Menschenrechte auch ein Verkaufsargument. Nun sei es wichtig, dass möglichst viele Firmen die Richtlinien unterschrieben, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, wenn andere Unternehmen ohne Einhaltung der Menschenrechte billiger produzierten. Auch die Konsumenten haben für Obrist eine Verantwortung, sozialverträgliche Produkte zu kaufen.