Nach dem Strassburger Urteil zu Rückschaffungen nach Italien will das Bundesamt für Migration (BFM) daran festhalten, Asylbewerber-Familien dorthin zurückzuschicken. Laut BFM-Direktor Mario Gattiker wird es aber von Italien Garantien verlangen.
Die Schweizer Behörden würden das Urteil nicht so lesen wie Dänemark, das nach dem Urteil auf die Abschiebung von Familien nach Italien verzichten will, sagte Gattiker in einem Interview mit den Zeitungen «Der Bund» und «Tages-Anzeiger» vom Donnerstag. «Wenn Italien eine kindergerechte Unterbringung garantiert, können wir weiterhin Familien dorthin zurückschicken.»
Zur Umsetzung stehe das BFM bereits in Kontakt mit Italien. Denkbar sei, «dass Italien uns neu nicht nur die Region nennt, in der die überstellten Asylbewerber untergebracht werden sollen, sondern auch die Unterkunft.» Das Land könnte eine «überprüfbare Liste» erstellen. Ziel sei ein «effizientes und pragmatisches Verfahren».
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in einem am Dienstag öffentlich gewordenen Urteil zu einem Schweizer Asylfall festgehalten, dass bedingungslose Rückführungen von Familien nach Italien nicht zulässig sind. Das Gericht verlangt, dass Garantien für angemessene Unterbringung und Betreuung eingeholt werden müssten.
«Dublin-Austritt wäre ‚Worst Case’»
Gattikers Chefin, Justizministerin Simonetta Sommaruga, hatte am Mittwoch davor gewarnt, das Urteil überzubewerten. Dadurch werde das Dublin-System nicht in Frage gestellt. Die Dublin-Abkommen sollen die Rückführung von Asylbewerbern in jenes Land sicherstellen, in dem diese zum ersten Mal ein Asylgesuch gestellt haben.
Auch Gattiker warnt davor, nun einen Austritt aus dem Dublin-System zu fordern: «Das wäre der Wort Case. Die Schweiz würde zum Ersatz-Asylland von Europa», sagte er. Er wies auch darauf hin, dass die Schweiz seit Inkrafttreten des Dublin-Systems 20’000 Asylbewerber habe zurückschicken können.