Schweiz will Serie der Sieglosigkeit im Wembley beenden

Im Wembley will die Schweiz eine nahezu endlose Serie gegen England brechen. Ein Sieg gegen die womöglich experimentierenden Engländer wäre das Glanzstück einer bisher guten EM-Qualifikation.

Das Schweizer Nationalteam am Montagabend beim Abschlusstraining im Wembley (Bild: SI)

Im Wembley will die Schweiz eine nahezu endlose Serie gegen England brechen. Ein Sieg gegen die womöglich experimentierenden Engländer wäre das Glanzstück einer bisher guten EM-Qualifikation.

Das grosse Comeback gegen die Slowenen bringt den Schweizern nun mehrere Matchbälle. Schaffen sie in London den historischen Coup und ringen die auswärts noch sieglosen Esten Slowenen einen weiteren Punktverlust ab, ist Vladimir Petkovics Mannschaft die sechste Endrunden-Teilnahme seit 2004 nicht mehr zu nehmen.

Die 105-jährige Serie

Ottmar Hitzfeld, der deutsche Star-Coach war im Juni vor vier Jahren am nächsten dran, die Serie der Sieglosigkeit in London zu stoppen. Die Schweiz, wenige Wochen nach dem Doppel-Rückzug von Alex Frei und Marco Streller mitten im Umbruch, verspielte eine 2:0-Führung.

Vor der Ära Hitzfelds bemühten sich andere klingende Namen der SFV-Trainergeschichte vergeblich um einen Coup in der bekanntesten Arena Europas. Köbi Kuhn beispielsweise oder Artur Jorge, der umstrittene Portugiese, und natürlich Englands aktueller Teamchef Roy Hodgson bei seiner Derniere mit der Schweizer Equipe im November 1995. Die prominente Liste jener ist lang, die in England keine Lösung fanden – unter ihnen der legendäre Übungsleiter Karl Rappan.

Petkovic kennt die einseitige Bilanz der vergangenen 105 Jahre. Sie wird ihn allerdings nicht davon abhalten, ein weiteres Mal bedeutend mehr als nur das Nötige zu investieren. Der Tessiner fuhr mit seinem couragierten Coaching zuletzt gleich doppelt gut. Die Unberechenbarkeit ist Teil seines Konzepts, das attraktive Spiel mit wenig Marge ebenso.

Allfällige Defizite in der eigenen Zone sind mit dem manchmal schon fast verwegenen Stil weniger einfach zu kompensieren. Das war nicht nur gegen die Slowenen erkennbar. Dafür ist das Repertoire in der Offensive gewinnbringender. Petkovic verlegte den Spielraum im Pflichtteil der Kampagne lieber vor das gegnerische Tor.

Inlers Status

Nun bleibt abzuwarten, ob der innovative und gleichsam furchtlose Trainer auch im Schlagabtausch mit einem Vertreter der höchsten Kategorie nicht (mehr) von seiner riskanten Linie abweicht. Simuliert er schon im Wembley ein erstes Mal den EM-Ernstfall? Oder verändert Petkovic drei Tage nach dem wilden Spektakel gegen die Slowenen die Balance seiner Mittelfeldachse doch wieder?

Die zentrale Frage betrifft dabei Gökhan Inler. Der Captain steht für den gut konzipierten Aufschwung der letzten sieben Jahre. Er vertritt die sachliche Komponente und das Paradebeispiel für gelebte Seriosität. Ausgerechnet für das bedeutendste Rendez-vous der Qualifikation verzichtete Petkovic auf den fokussierten Schwerarbeiter.

Aufkeimende Debatten um den künftigen Stellenwert Inlers blockte Petkovic so früh wie möglich ab – vor und nach der überraschenden Rochade: «Inler bleibt ein Leader und unser Captain.» Über den Status des 31-Jährigen weichen die Meinungen inzwischen auch intern voneinander ab. Ein Wortführer war er nie, Inlers Ausstrahlung kommt in erster Linie auf dem Terrain zur Geltung.

Das Wembley ist ein geschichtsträchtiger Ort, Fragen jeglicher Couleur zu klären und Mutmassungen einzudämmen. Nicht nur im Fall von Inler.

Hodgsons Ausblick

Auf ihren überaus diskreten Auftritt bei der letztem WM in Brasilien haben die Engländer im überzeugenden Stil mit der frühestmöglichen Sicherung des EM-Tickets reagiert. Hodgson verjüngte die Equipe markant. Und zu seinem Plan der Erneuerung passt der Umstand, dass die nächste Generation in der Milliarden-Liga trotz globaler Öffnung in den Zentren weiterhin eine gute Rolle spielt.

Hodgson spricht immer wieder vom «grösseren Talent-Pool» und von der Chance, sich Woche für Woche mit den Weltbesten zu messen. Er ist zwar ein eloquenter Verkäufer, aber der Werbeslogan für die «Three Lions» beinhaltet schon auch Substanz. Nur einer von 53 europäischen hat den bisherigen Qualifikations-Parcours ohne Verlustpunkt absolviert: England.

Für den makellosen Leader stehen bereits drei Spieltage vor dem Ende andere Schauplätze im Mittelpunkt. Wayne Rooneys mögliche Bestmarke gewichten die einheimischen Beobachter höher als taktische Fragen. Markiert der ManU-Stürmer sein 50. Tor im 107. Länderspiel, führt er das englische Ranking solo vor Sir Bobby Charlton an.

Englands Verantwortliche betrachten das Duell mit der Schweiz primär als ersten Sichtungstermin für die EM-Endrunde in Frankreich. Erst im kleinen Kreis äussert sich Roy Hodgson im herrschaftlichen Landsitz des Verbandes gegenüber ein paar Schweizer Journalisten explizit zum Herausforderer: «Das Geld der Credit Suisse hat der Verband sehr gut investiert. Sie machen einen guten Job in der Schweiz. Dass wir an der WM-Endrunde in Topf 2 waren und die Schweizer im ersten, sagt viel aus über die Qualität ihrer Entwicklung.»

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