Die Schweiz zieht das Urteil im Fall Dogu Perincek wegen seiner Äusserungen zum Völkermord an den Armeniern an die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) weiter. Sie will wissen, wie gross ihr Spielraum bei der Anwendung der Antirassismusstrafnorm ist.
Das Gericht hatte die Schweiz gerügt. Die Schweiz werde den EGMR um eine Neubeurteilung durch die Grosse Kammer ersuchen, teilte das Bundesamt für Justiz am Dienstag mit. Die Neubeurteilung soll Klarheit darüber schaffen, welchen Spielraum die Schweizer Behörden bei der Anwendung der Antirassismusstrafnorm haben.
Der EGMR war in seinem Urteil vom 17. Dezember zum Schluss gekommen, dass die Schweiz mit der Verurteilung des türkischen Nationalisten wegen Rassendiskriminierung das Recht auf freie Meinungsäusserungen verletzt hatte.
Dogu Perincek hatte 2005 in mehreren Reden in der Schweiz den Völkermord an den Armeniern von 1915 bis 1917 im Osmanischen Reich als «internationale Lügen» bezeichnet. Die Waadtländer Justiz verurteilte ihn wegen Rassendiskriminierung.
Das Bundesgericht bestätigte das Urteil. Die Gesellschaft Schweiz-Armenien hatte sich nach dem Urteil dafür stark gemacht, dass die Schweiz Rekurs vor der grossen Kammer einlegt.
Gesellschaft Schweiz-Armenien «sehr erfreut»
Die Gesellschaft Schweiz-Armenien freut sich über den Weiterzug des Urteils im Fall Perincek an die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Sie hofft, dass dadurch das für Dogu Perincek günstige Urteil widerlegt wird.
«Wir sind besonders glücklich» über den Entscheid aus Bern, sagte Sarkis Shahinian, Ehrenpräsident der Gesellschaft Schweiz-Armenien, am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Es sei zudem von hoher Symbolkraft, dass der Nationalrat am gleichen Tag eine Motion von Oskar Freysinger zum Thema abgelehnt habe.
Der Walliser SVP-Nationalrat forderte, die Antirassismusstrafnorm mit dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vereinbar zu machen. Der Bundesrat war gegen das Anliegen.
Der Pakt der UNO lasse es zu, die freie Meinungsäusserung unter gewissen Voraussetzungen einzuschränken, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Der Nationalrat lehnte die Motion am Dienstag mit 129 zu 55 Stimmen ab.