Das Tessin löst mit der Schliessung von drei Grenzübergängen nach Italien diplomatische Verstimmungen aus. Das italienische Aussenministerium in Rom hat am Dienstag den Schweizer Botschafter Giancarlo Kessler einbestellt.
Das teilte das Ministerium am Dienstagabend nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa mit. Ein Sprecher des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigte dies am Abend gegenüber der Nachrichtenagentur sda. In der Mitteilung des Ministeriums im Internet wurde auch eine Erklärung des Botschafters zitiert.
Demnach erklärte Kessler, dass die Grenzschliessungen eine vorübergehende und probeweise eingeführte Massnahme seien. Diese werde im Rahmen einer verbesserten Zusammenarbeit unter den Sicherheitskräften rasch überprüft, auf der Grundlage des bestehenden Abkommens der Polizeien der beiden Länder.
Von 23 bis 5 Uhr nicht passierbar
Nachts geschlossen sind seit Samstag (1. April) die Grenzübergänge von Novazzano-Marcetto, Pedrinate und Ponte Cremenaga. Die Schranken fallen jeweils um 23 Uhr und heben sich vor 5 Uhr nicht mehr.
Das Pilotprojekt geht auf eine Motion der Tessiner Lega-Nationalrätin Roberta Pantani zurück. In der Testphase sollen Informationen darüber gesammelt werden, welche Effekte eine dauerhafte Schliessung der Übergänge in der Nacht haben könnte.
Am Dienstagnachmittag waren die geschlossenen Übergänge bereits Thema im Regionalrat der Lombardei. Gegen den Willen der Lega stimmte das Gremium einem Vorstoss gegen die nächtlichen Schliessungen zu. Die Massnahme bringe Ungemach für die Grenzgänger und löse keine Probleme mit der Sicherheit, befanden die Befürworter.
Strafregisterauszüge ein Thema
In Italien stiess die Ankündigung des Tests schon vergangene Woche auf Unverständnis. Die italienischen Grenzgemeinden seien über den Schritt nicht einmal informiert worden, bestätigte Guido Bertocchi damals eine Meldung von «Ticinonews». Er ist Gemeindepräsident der italienischen Grenzgemeinde Bizzarone.
Die italienische Seite pochte im Gespräch mit Kessler zudem auf ein baldiges Rückkommen auf die Strafregisterauszüge für Ausländer, die im Tessin arbeiten wollen. Diese würden nur bei Grenzgängern aus Italien angewendet, schrieb das Ministerium in Rom. Die Schweiz habe anerkannt, dass dieses Vorgehen das Abkommen über den freien Personenverkehr in der EU verletze.
Das Tessin verlangt seit dem Frühjahr 2015 Strafregisterauszüge. Seither legte die Kantonsregierung bereits zwei Mal Zahlen vor, um die Regelung zu rechtfertigen. Bis November 2016 wurden im Südkanton demnach in 53 Fällen B- und G-Ausländerbewilligungen nicht erteilt, weil die Antragssteller als Sicherheitsrisiko eingestuft wurden.
Widerspruch zu Abkommen mit EU
Über eine Standesinitiative hatte der Kanton ausserdem eine nationale Legitimation für seine Regelung gefordert. Die zuständigen Kommissionen von National- und Ständerat folgten dieser Argumentation zunächst, bevor die Staatspolitische Kommission des Nationalrats Ende März zurückkrebste.
Sie kam zum Schluss, dass eine entsprechende Gesetzesänderung «in klarem Widerspruch» zum Freizügigkeitsabkommen mit der EU stünde und Rechtsunsicherheit verursachen würde.
Die Kommission schlug deshalb vor, dass die Schweizer Behörden nicht systematisch Strafregisterauszüge von zuziehenden EU-Bürgern einholen sollten. Der Bundesrat soll prüfen, ob das Anliegen des Kantons Tessin anders erfüllt werden könnte.