Die Schweizer Degenfechter wollen heute die verpasste Einzelmedaille nachholen. Die Voraussetzungen für den ersten olympischen Team-Medaillengewinn im Männerdegen seit 1976 scheinen günstig.
Nach drei WM-Bronzemedaillen, drei EM-Goldmedaillen sowie einmal EM-Bronze seit 2011 an grossen internationalen Titelkämpfen wäre Edelmetall bei Olympia eine logische Folge. «Wenn wir mit freiem Kopf und mutig starten, dann ist vieles möglich. Kein Team der Welt fechtet gerne gegen uns. Das müssen wir wissen», sagt Fabian Kauter.
Das Tableau scheint den Schweizern in die Karten zu spielen. Nimmt man das Abschneiden vom Einzel als Massstab, stehen die Chancen gut, die Viertelfinals gegen Italien und danach gar die Halbfinals zu überstehen. Denn sowohl gegen Gegner aus Italien (Sieg von Heinzer gegen Paolo Pizzo) als auch gegen Fechter der möglichen Halbfinal-Gegner (Russland oder Team-Weltmeister Ukraine) setzten sich ausschliesslich die Schweizer durch.
Steffen besiegte noch den Weltranglisten-Vierten Bogdan Nikischin oder Kauter den Ukrainer Anatoli Gerej. Heinzer setzte sich auch noch gegen den Weltranglisten-Siebten Wadim Anochin aus Russland durch, das vom früheren Schweizer Nationaltrainer Angelo Mazzoni gecoacht wird. «Jeder Schweizer erreichte im Einzel sein Topniveau. Das stimmt mich zuversichtlich», sagt der Schweizer Verbandspräsident Olivier Carrard.
«Italien liegt uns besser als Südkorea»
Fabian Kauter ist überzeugt: «Die Italiener liegen uns besser als beispielsweise Südkorea, das extrem passiv agieren kann.» Das letzte wichtige Duell gegen Italien gewann die Schweiz an den Weltmeisterschaften 2015 in Moskau mit 38:24 im Gefecht um Bronze.
Die Zeit für Olympia-Edelmetall ist auf alle Fälle reif. Die letzte Olympia-Medaille eines Schweizer Degen-Teams datiert aus dem Jahr 2000 (Silber bei den Frauen), jene der Männer liegt noch weiter zurück.
Fabian Kauters Onkel Daniel Giger, der im Einzel in Rio de Janeiro bei den Männern mitcoachte, hat dem aktuellen Schweizer Männerteam mit Max Heinzer, Fabian Kauter, Benjamin Steffen und Peer Borsky den Olympia-Medaillengewinn voraus. Er gewann seinerzeit zwei Mal Edelmetall mit dem Team; 1972 in München Silber und 1976 in Montreal Bronze.
Über olympischen Medaillen-Knowhow jüngeren Datums verfügt im Schweizer Lager der am Jahresende abtretende Chef-Nationaltrainer Gianni Muzio. Er ist bereits zum sechsten Mal bei Olympia dabei. Der heute 68-jährige Italiener hatte zuletzt 2008 in Peking die italienischen Degenfechter mit zum Bronze-Gewinn geführt.
Borsky als verlässliche Nummer 4
Und schliesslich ist innerhalb des Schweizer Teams auch auf die Nummer 4 Verlass. Der nur für das Team selektionierte Peer Borsky geniesst absolutes Vertrauen aus dem Top-Trio. Kauter: «Peer hat sich sehr gut ins Team integriert. Jeder von uns weiss, dass er zu 100 Prozent da ist, wenn er rein kommt. Er verhält sich wie ein Profi. Peer war immer da, wenn er einspringen musste und brachte seine Leistungen.»
Bestes Beispiel dafür war der Weg zu WM-Bronze 2014, als bei den Schweizern Max Heinzer verletzungshalber im Halbfinal gegen Frankreich ausfiel. Im Gefecht um Rang 3 sicherte der 1,92 m grosse Borsky in Kasan gegen Gastgeber Russland die Bronzemedaille ab. Der Zürcher Oberländer konnte als Schlussfechter gegen Pawel Suchow mit einer Plus-1-Bilanz den 23:21-Sieg unter Dach und Fach bringen.
Schon seit Jahren als verlässlich starker Teamfechter gilt Benjamin Steffen. Der Olympia-Vierte war schon 2004 in Kopenhagen erstmals Team-Europameister. An den Europameisterschaften 2015 in Montreux innerhalb der Olympia-Qualifikation ragte Steffen im Schweizer Bronze-Team mit der klar besten Bilanz (Plus 27) heraus.
Und die Aufhol- sowie Finisher-Qualitäten von Heinzer als Schlussfechter sind hinlänglich bekannt. Der Schwyzer war vorab bei den drei EM-Titeln in Folge (2012 bis 2014) eine Schlüsselfigur. Nach den muskulären Problemen im Viertelfinal gegen den nachmaligen Olympiasieger Park Sangyeong aus Südkorea will Heinzer im Team unbedingt wieder glänzen.
Auch auf dem aufsteigenden Ast befindet sich Fabian Kauter. Dass der Berner im Einzel dem Franzosen Yannick Borel in den Achtelfinals alles abverlangte und nach einer Aufholjagd um nur einen Treffer unterlag, half sicher auch Benjamin Steffen. Dieser besiegte anschliessend den nicht mehr ganz so taufrisch wirkenden Einzel-Europameister erstaunlich problemlos.
Europameister Frankreich ist am Sonntag topgesetzt, die Ukraine die Nummer 2 der Setzliste vor Italien.